BREST 2012

Bericht über die Fahrt mit der Kruzenshtern nach Brest

verfasst von Hagen Scheffler

Aus dem Logbuch: Passat Chor on Tour

1. Teil: Mit der der Kruzensthern nach Brest

Von Hagen Scheffler

Die Idee

Zwei Männer und eine Idee. Chorleiter Stefan Fleck und Veranstaltungschef Thomas Thomsen vom Passat Chor entwickelten sie etwa zur Zeit des 100. Geburtstags der »Passat« im Mai 2011: Teilnahme am weltgrößten Traditionssegler-Treffen in Brest in Frankreich, wo alle vier Jahre über 2.500 Traditionssegler aus aller Welt und über 150 Shantychöre zusammenkommen. Der Chor stimmte sofort begeistert zu. Ein Jahr Zeit hatte man zur Vorbereitung. Ein kleines Organisationsteam beschäftigte sich mit der Ausarbeitung der Konzertreise. Eine zentrale Rolle spielte dabei Uwe Wilck, der des Französischen mächtig ist und auch zu Lufthansa gute Verbindungen besitzt, wichtig für die Rückreise. Doch der Clou ist die zünftige Hinreise: Thomas charterte dafür die Viermastbark »Kruzenshtern« (ex »Padua«), das letzte noch segelnde Schiff der legendären »Flying P-Liner« der Laeisz-Reederei, gebaut 1926, seit 1945 in russischem Besitz. Auch auf der zweiten Viermastbark »Sedov« wurden noch sieben Plätze gebucht. »Nützt ja nichts«, wie Thomas Th. zu sagen pflegt.

Bon Voyage

Den musikalischen Teil übernahm natürlich Chorleiter Stefan Fleck, der für die Konzertreise ein Programm von 23 Lieder, überwiegend Shanties natürlich, arrangiert und einstudiert hat.

Die Vorstellung und zugleich Generalprobe des Programms fand am Samstag, d. 30. Juni 2012, in der ausgebuchten Aula der Alten Stadtschule in Travemünde statt. Das Publikum klatschte begeistert und schwenkte enthusiastisch blau-weiß-rote Fähnchen, die Farben von Frankreich.

Und dann hieß es nur noch »Bon voyage!«

1.Tag: Sonnag, 08. Juli 2012 Transfer Travemünde -Bremerhaven-Weser

Blauer Himmel, warmer, leichter Südost, ein Sonntagsreisewetter, wie für den Passat Chor bestellt. Leinen los für die Fahrt nach Brest. Nach etwa vierstündiger Busfahrt ist der erste Teil des Transfers für die 48 Mann starke Reisegruppe geschafft. Unser Bus hält neben der »Kruzenshtern« auf der Pier in Bremerhaven. In Sichtweite liegt die »Sedov«, auf der sich sieben Chormitglieder einschiffen werden, da aus Platzgründen nicht alle zusammen auf die »Kruzenshtern« passen.

Einchecken an Bord in der Zeit zwischen 12 und 13 Uhr, sehr locker, und unkompliziert. Im Gewimmel der vielen Besucher verläuft die Aktion reibungslos. Die schweren Taschen müssen enge Niedergänge runtergewuchtet werden. Man hilft sich, manch lockeres Wort begleitet die eine oder andere Aktion. Alles wird gut!

Mittagessen in der Messe, der Platz für den Chor reicht so gerade aus. Erst Fischsuppe, dann Hähnchenkeulen mit frischem Salat und Reis. Mann oh Mann, wenn das so weitergeht! Die »Kruzenshtern« ist doch kein Kreuzfahrer!

17 Uhr Auslaufen. Zwei Schlepper, »Mars« und »Arion«, ziehen uns von der Pier in Bremerhaven und schleppen die »Kruzenshtern« in den Strom. Wenig später werden die Leinen gelöst, der nur kurzfristig an Bord gewesene Lotse steigt auf einen Schlepper über. Die Viermastbark fährt jetzt unter Maschine entlang der Hafenpiers die Weser stromabwärts Richtung Norden – mit der einsetzende Ebbe. Bremerhaven zeigte sich von seiner maritimen Vielseitigkeit und Modernität. Das Klimahaus, das Auswanderer-Museum von Andreas Heller (derselbe übrigens, der auch das Europäische Hansemuseum in Lübeck baut und einrichtet), der maritime Zoo sowie das Hotel, das an Burj-al-Arab in Dubai erinnert, wandern schnell achteraus. Vorbei geht es an einer Reihe von massiven , im oberen Teil gelb gestrichenen Stahlstelzen der Off-Shore-Windmühlen, die hier auf Abtransport und Montage in den Windparks warten. Dann die endlos lange Pier mit einer unübersehbaren Zahl von Containern. Die Pier ist dicht besetzt von Schiffen, die entweder Container löschen oder laden. Draußen in der Außenweser wartet ein ganzer Pulk von ca. 10 Ankerliegern wohl auf einen frei werdenden Platz...

Bewegung an Bord: Seekadetten wimmeln über Deck, Segel werden gesetzt, aber nur je ein Stagsegel zwischen den Masten. Die jungen Trainees laufen in langer Reihe über Deck und reißen die Segel an den Fallen hoch, stets unter dem wachsamen Blick der Bootsleute, die lautstark ihre Kommandos geben und manch einen Kommentar hinterher, wenn es nicht so klappt wie gewünscht. Schoten werden dicht geholt, Fallen und weiteres Tauwerk aufgeschossen. Dann werden die schweren Rahen in eine neue Position gebracht. Knochenarbeit! Man merkt es den ehrgeizigen jungen Leuten an, wie sie sich ins Zeug legen, wenn sie die dicken Stahlseile dichtholen.

Der Südost, der uns bisher begleitet hat, und auch der blaue Himmel haben sich schon verabschiedet. Von Westen drückt ein Gewittertief herüber und beschert uns am Nachmittag die erste Dusche. Es ist schwül warm, die Hemden kleben einem am Leib. Über den auffrischen Südwest ist so mancher ganz froh.

19.30 UhrAbendessen: Suppe vorweg, dann Fischfilet mit so einer Art Pommes und frischem Salat, als Nachtisch wird eine Tafel Vollmilchschokolade gereicht. Alles reichlich,gut und wohlschmeckend.

Um 21 Uhr gibt es Kino. An beiden Außenseiten der Messe hängen Bildschirme, auf denen wir per DVD Einblick über die »Kruzenshtern« und die Ausbildung an Bord gewinnen (mit deutschen Untertiteln). Der frühere Kapitän, der witzigerweise Oleg Sedov heißt, wird als leuchtendes Vorbild eines russischen Seemanns präsentiert. Man merkt ihm an, wie er seine jungen Seekadetten zu prägen in der Lage ist. Er legt in seiner Ausbildung großen Wert auf Gesundheit, Teamgeist und charakterliche Stärke. Unter seinem harten, aber gerechten und fürsorglichem Regiment wachsen die jungen Leute zu richtigen Seeleuten heran, die ihr Handwerk verstehen, auf die Verlass ist und die als Persönlichkeit gefestigt sind. Wie weit wohl die Wirklichkeit mit diesem Idealbild übereinstimmt? Wir kennen die Diskussion durch die tragischen Ereignissen auf der »Gorch Fock«.

Aus der heißen Messe flüchtet jeder noch einmal in die Frischluft an Oberdeck. Es feuchtet von oben, 6 Windstärken aus Südwest begleiten uns. Von achtern kommen diverse Schiffe auf, auch die »Sedov« ist an der Kimm in unserem Kielwasser schwach auszumachen.

Gegen 22.30 Uhr lässt der Kapitän die Stagsegel bergen. Kursänderung an von bisher etwa 345° auf Westkurs entlang der ostfriesischen Inseln. Der Starkwind legt zu, aber das Schiff liegt gut in der von Schaumkronen geschmückten Nordsee und verzeichnet keine größeren Rollbewegungen.

Der erste Messeabend endet für einige erst weit nach Mitternacht. Heiße Diskussionen über Auftrittstechnik und andere Themen des Chores erhitzen die Gemüter der letzten Aufrechten. Engagiert, hartnäckig, aber auch immer wieder humorvoll geht es zur Sache, und so manche Lachsalve rollt durch die aufgeheizte Messe, vor allem dann, wenn die Diskussion nicht mehr so recht vom Fleck will. Der (Wissens)Durst wird mit gut gekühltem Weißwein oder Bier bzw. mit wohl temperiertem Roten sowohl gelöscht als auch angeregt. Wie soll man da schlafen gehen? Und dann noch in die Massenquartiere, die mit sechs bis neun Mann belegt sind. Zu diesen »Pumakäfigen« mit ihren Doppelstockkojen und dem ständig laufenden »Miefquirl« bietet das aktive und so kreative Messeleben eine Zeitlang doch eine attraktive Alternative.

2.Tag: Montag, 09. Juli 2012 Fahrt durch die Nordsee

7 Uhr: Ohrenbetäubender Weckruf über die quäkende Bordsprechanlage, auch einige Informationen auf Englisch. Wir haben es inzwischen mit 15-16 m/sec zu tun, d. h. 7-8 Bft. aus Südwest, dazu Sprühregen. Der Blick durch das Bulleye bestätigt die Befürchtung: Himmel und Wasser im einheitlichen Grau – Sommer eben. Nur die Schaumkronen der Wellen blitzen durch den diesigen Vorhang. Die Sicht ist ziemlich eingeschränkt. Wer an Deck ist, findet vor der windigen und tropfenden Natur nur an wenigen Plätzen etwas Schutz, ein Leben wie unter einer Sprinkleranlage. Eine kleine Gratis-Lehrstunde für die Männer vom Passat Chor,wie es Seeleuten früher auf den Großseglern bei Wind und Wetter ergangen ist und was sich hier und da in den Shanties niedergeschlagen hat. Das haben auch die wenigen Sportaktivisten erleben dürfen, die dem donnernden Weckruf von.Heinz J. zum Frühsport um 06.45 Uhr gefolgt sind. Habe selbst die Wahl zwischen Turn- und Badehose nicht rechtzeitig auf die Reihe bekommen und deshalb die Auftakt-Sportveranstaltung leider versäumt.

Das Schiff liegt trotz der rauhen See relativ ruhig. Ein verhaltenes Auf und Ab führt zu harmonischen Wiegebewegungen, nichts Ruckartiges, kein Schleudergang. Trotzdem beschleicht den einen oder anderen ein mulmiges Gefühl. Zum Frühstück in der Messe erscheinen nicht mehr alle. Auch der große Pott Hafergrütze ist jetzt nicht so gefragt. Dabei wäre das doch eine sehr gute Grundlage, um mit den Schlingerbewegungen des Schiffes besser klarzukommen. Notfalls geht Hafergrütze so gut rein wie auch raus- ohne Kratzer und Brandspuren.

Das vorgesehene Vormittagsprogramm wird angesichts der Wetterlage gestrichen. Kein Aufentern in die Masten (freiwillig), keine Information über Wassereinbruch ins Schiff und entsprechende Gegenmaßnahmen. Keine Chorprobe. War also die Mitternachtsmesse-Besprechung für die Katz?

Die Zeit bis zum Mittagessen ist für jedermann frei. Erneute Messegespräche, Rauchen auf dem Achterdeck, Besuch auf der Brücke, Foto-Shooting – geschenkte Zeit. Manche Gedanken gehen an die Lieben daheim...Kapitän Mikael Novikow spricht von bis zu vier Meter hohen Wellen und von Böen in Sturmstärke. Strecktaue sind zur Sicherung über Deck gespannt, aber noch keine »Leichenfänger«. Doch die »Kruzenshtern« gleitet davon scheinbar unberührt majestätisch durch das schäumende Element.

11.30 Uhr Mittagessen: Erster Gang: Pilzsuppe, als Hauptgericht werden Hackbraten und frisches Gemüse von Tomaten und Gurken gereicht. Wer es abkann, isst mit gutem Appetit. Doch die Reihen sind etwas gelichtet, und der Appetit ist bei etlichen begrenzt. Stefan Fleck versucht für die Chorstunde am Nachmittag zu motivieren. Besonders Bass 1 ist gefragt, da er auf dieser Reise unterbesetzt ist. »Sollen alle drei auf einmal kommen,Stefan?« »Was machen wir, wenn wir 14.15 Uhr fertig sind?« höhnt eine andere Stimme aus dem Hintergrund. Doch Stefan, zünftig in Colani (und draußen mit Südwester), bleibt die Ruhe selbst und lächelt milde über die Spötter. Schließlich hat er die mitreisenden Gäste des Chores kurzentschlossen für den Bass 1 »dienstverpflichtet«.

Der Wind ist auf 6 Bft. zurückgegangen und kommt mehr aus West.

13.15 Uhr: Alle Mann auf Manöverstation. Die Rahen werden umgebrasst. Das ganze Wunderwerk aus Tauwerk, Drahtseilen, Blöcken, stählernen Rahen ist in Rotation. Die Bootsleute aus der Stammbesatzung brüllen gegen den Starkwind ihre Anweisungen. Hier wird gefiert, dort dichtgeholt- Hand über Hand. Auf der Brücke erklärt uns der Kapitän, dass er demnächst Segel setzen möchte, wenn wir quasi querab Terschelling sind. Können dann nach Süd abdrehen Richtung Kanal. Das Schiff macht zur Zeit nur einige Knoten Fahrt. Die Sicht ist deutlich besser geworden. An Steuerbord passieren wir eine Ölplattform. Von der »Sedov« ist nichts zu sehen. Der Kapitän meint, die Viermastbark sei wohl etwas weiter nach Norden ausgewichen.

Haben in kleiner »aufgebesserter« Besetzung Chorprobe für den Bass 1 in der Messe. Läuft für den Chorleiter ganz zufriedenstellend, auch wenn Klaus B. mit lockerer Zunge mehrfach einen kleinen künstlerischen Disput mit dem Chorleiter wagt. Kommunikation ist alles. Später reagiert Stefan Fleck vor dem gesamten Chor an Oberdeck offensiver und fasst sein künstlerisches Credo in den Worten zusammen: »Ihr sollt nicht denken, sondern nur singen!« Da der Wind weiter abflaut, werden die weiteren Chorproben auf das Oberdeck hinter der Brücke verlegt.

Um 15.20 Uhr wagt sich die Sonne allmählich wieder durch die Wolkendecke und beginnt sie aufzulösen. 15.30 Uhr gibt es Kakao und so eine Art Piroggen, die mit Sauerkraut gefüllt sind. Nicht jedermanns Sache, aber zumindest eine neue Erfahrung!

Gegen 18 Uhr: Alle Mann auf Manöverstation. Es werden einige Segel gesetzt: das Vorstengestagsegel, am Vortopp die Fock, die Stagsegel zwischen den Masten, am Großmast Unter- und Obermarssegel, außerdem noch das Unterbramsegel, am Kreuzmast Obermars- und Unterbramsegel und am Besanmast den Besan. Ganz schön viel Tuch! Steht der »Old Lady« sehr gut, auch wenn sie damit nur zwischen drei und vier Knoten macht. Aber wir sind jetzt für die nächsten Stunden eingetaucht in die Zeit der alten Segelschifffahrt. Wenig später ist der Himmel fast wolkenfrei. Blauer Himmel und die hohen Masten mit den weißen Segeln. Ein Traum geht für jeden von uns in Erfüllung. Die Männer genießen die zauberhafte Atmosphäre. So könnte es weitergehen bis nach »South Australia«, worüber ein Shanty aus unserem Programm handelt.

!9.30 Uhr Abendbrot in der Messe: Wie immer Suppe und dann das Hauptgericht, bestehend aus Fleisch, Kartoffeln und frischem, gemischtem Salat. Banane zum Dessert.

Wenig später schrillt erneut der Befehl »Alle Mann, klar zum Segelbergen!« durch die Decks. Alle Segel werden eingeholt, denn die Schiffsführung plant einen Kurswechsel Richtung Südwest. Die Rahsegel werden nicht festgelascht, da wir morgen wohl wieder segeln werden – hoffentlich.

3.Tag: Dienstag, 10. Juli 2012: von der Nordsee in den englischen Kanal

Das Wetter hat sich merklich beruhigt. Der Wind kommt aus WSW mit durchschnittlich vier Windstärken. Es ist wolkig, sonnig- einfach angenehm. Heinz J. merkt es an der steigenden Zahl der Frühsportaktivisten. Auch die Messe ist zum Frühstück um 7.30 Uhr wieder bis auf den letzten Platz besetzt. Wieder »Genesene« werden freudig begrüßt und mit fürsorglichen Essensvorschlägen bedacht. Wer den Schaden hatte, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Nur Stefan F. ist etwas mit Zahnschmerzen leicht indisponiert. Auch hier gibt es unkonventionelle Ratschläge, die Doc Jörg St.einsammelt und als Vademecum neben Kamillentee (u.a.) weitergibt. Stefan liebt das Ungewöhnliche und verzehrt auch gern Kiwis mit Haut und Haaren (wg. der Vitamine), wie er es nachmittags beim Kaffee, der aber dann doch Kakao ist, demonstriert. Ein Naturbursche eben.

Am Vormittag gegen 09.30 Uhr wird von Hartmut W. ein Mundharmonika-Anfänger-Workshop angeboten, der von sieben Mann sogleich wahrgenommen wird. Die ersten Zeilen von »Hänschen klein« werden nur mit Mühe stimmig intoniert. Doch die Kakophonie des kleinen Orchesters hat auf jeden Fall einen durchschlagenden Erfolg erzielt: Unsere Büfett-Fee, Tatjana, hat vorzeitig die Messe geräumt, was sie sonst sehr ungern tut. Chorleiter Stefan F. hat sich inzwischen dank der unkonventionellen Behandlungsmethoden wieder zu uns gesellt und begleitet motivierend unsere Mundharmonika-Gehversuche mit der Vision seiner künstlerischen Authentizität: »Wer Hänschen klein« spielen kann, kann alles spielen.«

Klar, dass wir bei der nächsten Spezialsitzung wieder dabei sind.

Gegen 10 Uhr erwartet der Chor, vollständig und nach Stimmen sortiert, in der Messe eine Delegation der Seekadetten, die zusammen mit uns singen wollen. Denn heute ist der Ehrentag der Fischereifachleute, und die Seekadetten werden ja in dieser Richtung hier an Bord mindestens zwei Monate ausgebildet. Wir sind gespannt, was passieren wird, und stimmen uns mit »South Australia« schon ›mal ein. Dann sind sie da: ein Gitarrist , eine zierliche Sängerin und noch drei Kadetten als Backgroundsänger. Mit »My Bonny« geht’s gemeinsam los, dann versuchen wir es auch mit »Sailing,sailing«. Chrystian H.verstärkt die instrumentale Seite und versucht mit seinen russischen und Stefan mit seinen englischen Kenntnissen eine russisch-englische Kommunikation in Gang zu halten. Die Kadetten singen für uns noch einige schwermütige russische Lieder. Irgendwann kommt dann natürlich auch »Kalinka, Kalinka«, aber ohne begleitende Tanzschritte. Insgesamt ein schöner und sehr herzlicher Anfangserfolg!

Inzwischen haben sich auf dem Vorschiff die Kadetten zu sportlichen Wettbewerben versammelt, anfeuernde Musik dröhnt lautstark über Deck. Diverse Kategorien sind im Angebot wie Gewichtheben (Kugel mit Griff von 25 kg), Klimmzüge oder Liegestütze. Höchstleistungen und Bordrekorde werden entsprechend von den Fans bejubelt.

11.30 Uhr Mittagessen: Bohnensuppe, dann Gulasch, Nudeln und frischer Tomaten-Gurken-Dill-Salat. Kurz danach erhält der 1. Teil des Passat Chor-Logbuchs den redaktionell letzten Schliff, wird von Uwe W. auf einen Stick gezogen, mit einer Anzahl Bilder versehen und gelangt dann mit Genehmigung des Wachhabenden auf der Brücke in die Funkbude am Heck. Von dort werden die vorher konsultierten Medien informiert und ins Bild gesetzt.

Plötzlich sind sie da, die Kreidefelsen von Dover. Ein langes weißes Felsenband erstreckt sich auf Steuerbordseite, auch die kontinentale Gegenküste ist schemenhaft auszumachen. Durch diese Enge müssen sie alle, die vielen Schiffe, die diese verkehrsreichste Wasserstraße passieren. Und in der Tat hat der Schiffsverkehr sehr zugenommen. Auch die Handys haben wieder ein Netz, so dass viele die Chance nutzen, ein Lebenszeichen von Bord zu senden.

Gegen 13.30 Uhr findet die erste von mehreren Führungen durch das bordeigene Museum statt. Hier gibt es Informationen über die Geschichte des Schiffs, das einst als »Padua« in Dienst gestellt worden ist. Hier sind die Reisen der »Kruzenshtern« nachvollziehbar. Über den neuen Namensgeber, den deutsch-baltischen Generaladmiral Adam Johann Baron von Krusenstern (1770 – 1846) in zaristischen Diensten, findet sich Wissenswertes. Und dann sind natürlich auch die vielen ersegelten Trophäen, die Silberpokale, ausgestellt wie auch andererseits eine Pyramide mit einer recht skurrilen Sammlung von Mitbringseln, z. T. sehr kitschig. Ein kleiner Ausschnitt dessen, was dieses Schiff in seiner 86 Jahren alles erlebt hat.

Um 14 Uhr beginnt die Chorprobe in der Messe, nach Stimmen getrennt, unterbrochen durch den nachmittäglichen Kakao, der mit einem riesigen Stück frischen Apfelkuchens aus der Bordkombüse angereichert ist. Manche kapitulieren vor dieser Herausforderung und greifen lieber nur zur Kiwi.

Gegen 16 Uhr legt der Wind wieder zu auf Südwest um 6. Das veranlasst die Schiffsführung zu einem Alle-Mann-Manöver. Die nur lose auf den Rahen liegenden und jetzt schlagenden Segel müssen mit den Zeisingen festgebändselt werden. Wieder eine Knochenarbeit, besonders wenn so ein »Windsack« am Ende der Rah eingefangen werden muss.

19.30 Uhr Abendessen: natürlich Gemüsesuppe und dann eine Peperoni, gefüllt mit Hack. Schmeckt allen vorzüglich!

Fast der gesamte Chor verbringt den Abend zwanglos und in guter Stimmung in der Messe.

Im Zentrum agieren Stefan und Chrystian mit ihren Gitarren, Klaus B. begleitet mit Klanghölzchen, viele singen schwungvolle Lieder, auch solche, die beim Passat Chor eher auf der B-Seite stehen. An den Rändern der Messe spielen Skatgruppen oder vertiefen sich Gesprächsgruppen...Ein vielseitiger, sehr stimmungsvoller Abend, der für die Letzten erst nach Mitternacht endet.

4.Tag: Mittwoch, 11. Juli2012: Fahrt durch den englischen Kanal

Wer vor Mitternacht den Weg in die Koje findet, hat es leichter am nächsten Morgen, in der Sporttruppe von Heinz J. mitzumachen. Heute sind wir insgesamt sechs, die den Kampf gegen die Problemzonen wagen. Unter den motivierenden Kommentaren von Heinz werden erst einmal ein paar Runden ums Schiff gelaufen (binnenbords natürlich), um die niedertourig laufenden körpereigenen Systeme hochzufahren. Dann werden die Rümpfe gnadenlos gebeugt, der Schultergürtel erhält eine eigene Zuwendung. Als aber wir aber, einander festumklammert um eine Winsch stehen, die Beine nacheinander hochschwingen sollen, kracht es gewaltig in den schon recht morschen Gebälken. Schnell legt Heinz noch einige Streckübungen ein gegen diesen und jenen Krampfansatz. In Bauchlage sollen dann alle Körperteile bis auf den Bauch zum Fliegen gebracht werden, dabei erst wird jeder von uns gewahr, wie weit doch schon seine gut gepolsterte Körpermitte reicht und wie unerbittlich die Schwerkraft wirkt. Dasselbe dann in Rückenlage: »Und hoch die Hüften!« Doch zum Himmelstürmer taugen wir in Wirklichkeit nur noch bedingt- mit Ausnahme von Heinz natürlich. Aber der muss uns ja auch in Brest mit einem bretonischen Fischerlied vertreten, da gilt es Geist und Körper topfit zu halten.

Milde lächelnd verfolgt das Volk der Frühraucher unser sportliches Tun. In der Tat, es muss ja auch recht komisch aussehen, wenn wir uns an Deck winden und einen fiktiven Ball von den Knien pflücken und über die nach oben gewölbte Schulter irgendwo vor dem Kopf plazieren. Unser sportlicher Ehrgeiz überträgt sich jedenfalls nicht spontan und wirkt wenig mitreißend auf die »Zaungäste«. Natürlich mit Ausnahme der Kadettinnen und Kadetten, die, kaum sind wir fertig, auf die verschiedenen Freiluftdecks strömen – zur Gymnastik. Mens sana in corpore sano! Die Ausbildung an Bord der »Kruzenshtern« ist ganzheitlich. Komisch eigentlich, dass damit ein Teil des Chores gewisse Schwierigkeiten hat und lieber auf Schwerpunkte setzt...

Der Himmel ist überwiegend bewölkt, aber die Wolkenstruktur lässt dennoch indirekt und gefiltert das Sonnenlicht durch. Moderater Seegang. Der »Hummelschwarm« ist aus der Takellage verschwunden, d. h. weniger Geräuschkulisse. Im Gegensatz zu gestern sollen heute Luft (17°C) und Wasser(16°C) einige Grade wärmer geworden sein. Der Wind, der nach wie vor aus aus der Generalrichtung Südwest kommt, hat deutlich nachgelassen und lässt bei durchschnittlich vier Windstärken ein aktives Oberdeckleben zu. Uwe W.s erste Kontaktaufnahme mit der Natur mündet jedoch voller Enttäuschung in dem Kommentar: »Ein erbauliches Leben oben stelle ich mir anders vor!« Schließlich hat er einen mobilen Angelsesselsitz mit der Gelegenheit für ein gutes Trinkgefäss und spannnende Lektüre mitgebracht. Seine Infrastruktur aber hat derzeit noch keine Hochkonjunktur.

An Steuerbord ist schemenhaft die Küste von England, wohl Wales, auszumachen. Kurs West bis Nordwest liegt seit gestern an. Der Kapitän hält sich unter der englischen Küste, um dann – hoffentlich! – nach Brest abfallen und dabei Segel setzen zu können,. Das wäre eine zauberhafte Schlusspointe unserer Seereise.

07.30 Uhr wie gewohnt Frühstück: Für jeden kommen ein stattliches Würstchen und zwei Spiegeleier auf die Back! Freudige Gesichter allenthalben. Aus der Tiefe des Chores kommt der Kommentar: »Ist doch klar,wir kommen in Landnähe!« Anzeichen schwerer Irritationen gibt es bei Hans-Peter H. , als er seinen Blick über meinen Teller schweifen lässt. » Ich hab‹ ja schon viel mitgemacht, aber Spiegeleier, Würstchen und Marmelade, das geht doch gar nicht!« Hans-Peter kann sich geschmacklich erst beruhigen, als ihm nachgewiesen wird, dass die Spiegeleier und das Würstchen unter einem leichten Mantel von Ketchup und nicht von Marmelade verfeinert werden. Der Schreck über meine vermeintliche Geschmacksverirrung steckt tief in ihm...

Gleich nach dem Frühstück ist Intelligenz gefragt, nicht für die mitgebrachten Sudokus und sonstigen Kreuzworträtsel. Winfried H. hat mit einem Team einen dreiseitigen maritimen Fragebogen ausgearbeitet, den es in Kleingruppen zu lösen gilt. Zum Glück nicht auf nüchternem Magen! Wer es bis 9 Uhr nicht in der Messe schafft, muss an Deck weiterarbeiten. Brain-Storming, dafür flaut der Wind ab. Nur eine ganz sanfte Wiegebewegung lässt spüren, dass wir uns auf einem wunderschönen Traditionssegler befinden. Neben uns schrubben die Kadetten ihre »Takelpäckchen« an Deck – Waschtag. Gegen 11 Uhr zieht ein kleiner Schauer über uns hinweg quasi als Spülgang für die Klamotten, die überall aufgespannt sind.

Die Mundharmonika-Werker versammeln sich um 10 Uhr in der Messe und lauschen den Demonstrationen von Dieter Sch., Klaus B. und Doc Jörg St. Zauberhaft, was sich an Klang aus so einem winzigen C-Instrument mit Blasen, Ziehen, Zungen-und Handeinsatz entlocken lässt! Außerdem sind die therapeutischen Möglichkeiten dieser Instrumente nicht zu unterschätzen: Wer bläst, kann weder saufen noch herumlabern. Mit solch einer Einseitigkeit ist man im Prinzip doch zugleich wieder sehr vielseitig. Hartmut W. versucht uns, aufbauend auf der Grundlage von gestern, in Engelsgeduld die nächsten Töne beizubringen. Doch die Soli von Dieter Sch. und Klaus B. zeigen uns, wie weit wir noch entfernt sind von unserer Idealvorstellung.

An Oberdeck findet eine besondere Aktion statt. Gestern muss beim Festlaschen der auswehenden Rahsegel bei einem der Segel ein Riss entstanden sein. Das schadhafte Kreuz-Untermarssegel wird abgeschlagen und in einem ausgeklügelten Manöver herabgelassen. Auf umgekehrten Weg wird ein funkelnagelneues Tuch hochgezogen und angeschlagen. Das Ganze findet unter den intensiv nach oben gerichteten Blicken des Chores statt. Kurzfristig einsetzender Sprühregen begleitet auch das Ganze. Es ist eine ausgefeilte Technik nötig, um ein so großes Segel wieder zu setzen und sicher zu verankern. Wenn früher die Passatwinde erreicht waren, wurden alle Schwerwettersegel gegen leichtere komplett ausgewechselt. Und das waren 34!

11.30 Uhr zum Mittagessen in die Messe: Gemüsesuppe, anschließend Hähnchenkeule, Kartoffeln und frisches Gemüse (wie immer Tomaten-Gurke-Dill-Mischung). Alles wird mit gutem Appetit gegessen. Chorleiter Stefan korrigiert sein Programm für den Nachmittag. Um 6 Uhr wird wieder zusammen mit 20 Kadetten gesungen. Stimmung ist gut. Alles wird gut.

Gegen 13 Uhr wird eine weitere Gruppe durchs Bordmuseum geführt. Der Wind hat 9 m/sec, die Sonne scheint und hat sich den halben Himmel erobert. Fast Kreuzfahrer-Wetter. Schade nur, dass wir nicht segeln können, aber der Wind kommt fast von vorn. Von achtern prescht in hoher Geschwindigkeit ein Kriegsschiff heran. Es ist ein russisches, vielleicht so eine Art U-Jagd-Boot. Von der Brücke erfahren wir, dass es aus Kaliningrad stammt und auch nach Brest fährt. Klar, dass sich die Schiffe durch das Dippen der Flaggen grüßen.

Der wachhabende 1. Offizier, Jewgenij, zugleich unser Betreuer, erlaubt Heinz J., unter Aufsicht den Großmast zu entern, natürlich ausgestattet mit einem Sicherheitsgurt. Das Aufentern geht nur bis in die erste »Etage«, bis zur ersten Rah. Das letzte Stück geht steil nach oben, dann gilt es die Plattform zu erklimmen und sich mit der Sicherheitsleine einzupieken. Heinz schafft diesen »Parcour« in gewohnter sportlicher Eleganz und Zuverlässigkeit. Bei Ulli Th. klappt das nur mit Zusatzhilfe. Warum? Auf halber Strecke rutscht ihm der Sicherheitsgurt herunter und wird zur Fußfessel. Da geht nichts mehr, weder rauf noch runter. Erst als ein zweiter Seekadett das Fesselkorsett wieder hochwuchtet, hat er »Grün« und kann seine Erstbesteigung erfolgreich abschließen. Allgemeiner Kommentar der grinsenden Chorbeobachter: »Ja, wer keinen A... in der Hose hat...!« Unbekannt ist, ob sich Ulli sofort bei Heinz zum Frühsport angemeldet hat.

Tatjana verwöhnt uns zur Kaffeezeit wieder mit einem Riesenstück Kuchen, dieses Mal mit handwarmem Quarkkuchen. Wer das nicht abkann, greift beherzt zur Banane.

16 Uhr Chorprobe auf dem Vorschiff bei strahlendem Sonnenschein und wieder etwas zunehmendem Wind.(6 Bft. aus West). Ab und an leckt Gischt über die Schanz. Chorleiter Stefan hockt auf einem Spill wie ein Zauberer und bringt seine Männer in Form. Auch wenn er immer etwas zu kritisieren hat, merkt auch er, wie seine vor zwei Tagen vorgetragene Vision langsam Früchte trägt: »Schaut auf’s Wasser! Atmet die herrliche Seeluft. Lasst euch Seebeine wachsen...Dann singt es aus euch heraus!« Im Auf und Ab des Vorschiffs geht das bretonische Fischerlied richtig unter die Haut. Der manchmal etwas sehr ernste Blick der Männer ist längst einem heiteren Lächeln gewichen, dessen Quelle tief drinnen sitzt: Es ist das Glücksgefühl, auf diesem Schiff mitfahren und beim Ausgang des englischen Kanals in die beginnende Biscaya »Sailing, sailing« singen zu dürfen. Der Chor strahlt und fühlt sich in Hochstimmung...

Eine weitere gemeinsame Chorprobe mit ca. 20 Seekadettinnen und Seekadetten in einem ihrer Decks verläuft sehr harmonisch. Die Crew überreicht Stefan einen großen Prachtband über die »Kruzenshtern«. Beide Gruppen präsentieren einen Teil ihres Repertoires. Zum Schluss aber singen wir gemeinsam zu Heinz‹ Solo den Refrain des bretonischen Fischerlieds »Gwerz«. Das klappt schon ganz gut. Die Kadettinnen und Kadetten sind engagiert dabei. Stefan hat die sich anfangs eher schüchtern gebenden Frauen und Männer in seinen Bann gezogen. Beherzt und mit einem glücklichen Lächeln singen sie mit uns den Refrain. Aus dieser sich sehr positiv anbahnenden gemeinsamen Arbeit ließe sich für die Zukunft ein tolles Projekt machen. Thomas Th. ist schon ganz Feuer und Flamme von dem Gedanken daran...Mit dem bretonischen Fischerlied wollen wir morgen, wenn wir in Brest einlaufen, unsere französischen Gastgeber begrüßen – und überraschen. Der Kapitän unterstützt die Idee und hat die zwanzig jungen Leute dafür freigestellt.

Abendessen um 1930 Uhr in gewohnter Qualität: Suppe, dann Wiener Schnitzel mit Nudeln und Salat. Vorzüglich. Am späteren Abend steht für jeden noch ein gewaltiges Stück Cremetorte auf der Back. Heute Abend hat sich die Schiffsführung angesagt, doch es kommt nur Jewgenij, der 1. Offizier, in unser Deck. Er übergibt uns allen persönlich die Urkunde über die Reise auf der »Kruzenshtern« mit kräftigem Handschlag. Er lobt uns und die gemeinsame Singarbeit mit Kadetten und wünscht uns den allerbesten Erfolg für unsere Auftritte in Brest. In seiner Erwiderung bedankt sich Thomas Th. für die Gastfreundschaft und die gute Atmosphäre an Bord insgesamt. Dann wirft er schon ›mal die Angel aus und spricht die Hoffnung aus auf weiterhin gute Kontakte und auch Zusammenarbeit. Das und die inzwischen überreichten Schachteln mit Lübecker Marzipan für die Crew kommen beim 1. Offizier sehr gut an. Der Anfang ist gemacht!

5.Tag: Donnerstag, 12. Juli 2012: Englischer Kanal-Biscaya-Brest

Haben irgendwann in der Nacht den Kurs nach Südost in Richtung Brest geändert und lassen uns von den Wellen und 4 bis 5 Windstärken aus Südwest schieben. Das Schiff liegt wie gewohnt ruhig. Auch die Männer des Passat Chores verbringen eine entspannte Nacht im sanften Wiegerhythmus des Schiffes.

Die Schar der Anhänger der Freikörperkultur ist angewachsen, aber Heinz, unser Vorturner, bleibt unter Deck. Selbständig, wie wir angeleitet sind, machen wir den Frühsport in Eigenregie. Die Bank neben dem Ruderkoker ist seit 6 Uhr fest in der Hand der Raucherwache. Wir traben unbeirrt daran vorbei. Französisches Festland ist als schwarzer Strich auszumachen. Ein Leuchtfeuer sendet Lichtsignale. Kap Finistère?

Zum Frühstück wird u.a. feiner Griesbrei serviert, Anlass für Gespräche über Nachkriegszeiten. Der Kaffee rangiert auf der Richter-Skala zwischen 6 und 8 und haut mir fast die Sicherung raus. Doch für Hans-Peter H., der auch gern in unserer Lästerecke sitzt, ist er richtig, da er vorher schon die falsche Brille geputzt und auf Ansprachen gar nicht oder sehr zeitverzögert reagiert hat. Aber die Sorge, sich zwischen Ketchup und Marmelade zu vergreifen, ist merklich geringer geworden.

Alle-Mann-Manöver: Der Kapitän lässt tatsächlich die Rah- und Stagsegel setzen. Die Masten werden zu weißen Türmen. Die Royals sind die Sahnehäubchen auf den ersten drei Masten. Das neue Kreuz-Untermarssegel steht wie eine Eins. Nur die Fock und das Großsegel bleiben eingebunden – vermutlich der Sicht wegen. Einen der wenig verbliebenen Großsegler fast unter voller Besegelung zu sehen, auch wenn es nur für zwei Stunden ist, macht einen erhabenen Eindruck und gibt dem Ende dieser Seereise den gewünschten Höhepunkt. Eine Viermastbark unter Segeln zu erleben, das ist das pure Glück!

Trotzdem laufen wir weiter mit Maschinenkraft, da wir zu wenig Fahrt machen. Neben uns segelt die »Staadsrat Lehmkuhl« aus Norwegen, weitere größere Segler, aber nicht die »Sedov«, sind auszumachen. Die Medien sind an uns dran per Hubschrauber, Motorbooten etc. Eine Yacht aus Deutschland dümpelt vor uns her, vermutlich ist der automatische Steuermann angeschaltet, die Crew wird von der Schiffsführung angerufen und aus dem Weg gescheut.

Zwei Männer kommen an Bord, einer davon muss der Lotse sein. Die »Kruzenshtern« zieht ruhig durch die große Bucht vor Brest, vorbei an alten Verteidigungsanlagen. Ein paar alte Kutter und bizarr getakelte Traditionssegler begleiten uns. Das »Empfangskomitée« moderner Yachten aus der riesigen Marina vor Ort ist sehr übersichtlich und fast ein bisschen enttäuschend. Es scheint so, als wenn hier Schiffe wie die »Kruzenshtern« zum Stadtbild gehören.

Der Kapitän gibt Order, die Segel zu bergen., zuerst die Royals, dann die Marssegel, von oben nach unten. Die Seekadetten laufen mit den Niederholern über Deck, begleitet von den zuständigen Bootsleuten für die einzelnen Masten. Es klappt wie am Schnürchen! Da schlägt das Herz eines Seemanns gleich höher!

Zwei Schlepper nehmen uns auf den Haken, vorn und achtern. Die himmlische Sprinkleranlage ist wieder geöffnet. Während uns die Schlepper mit Schwung um die letzte rote Tonne vor der Hafeneinfahrt herumziehen, sind die Seekadetten in ihrer »ersten Geige«, d. h. in weißem Takelpäckchen, angetreten, die Männer vom Passat Chor stehen an Steuerbord mittschiffs (das dort postierte Rettungsboot ist weggehievt worden) in ihrer bekannten Kluft, eingerahmt und unterstützt von 20 Seekadettinnen und Seekadetten. Nachdem wir den riesigen russischen Eisbrecher passiert haben und uns die Schlepper längsseits an den vorgesehenen Schwimmsteg drücken, kommt die Stunde von Heinz J. Mitreißend klingt sein Vortrag des alten schwermütigen, unter die Haut gehenden bretonischen Fischerliedes »Gwerz« über Bordlautsprecher zu den »Sehleuten« an Land. Das Lied hat endlos viele Strophen... Mit russischer Unterstützung rollt dann immer wieder der schleppende Refrain, der klanglich so etwas wie die endlos bewegte See darstellt , über die Pier: »O rani di ran di ro«. Leider sind nur wenige Zuhörer da, die unsere als Überraschung gedachte »bretonische« Begrüßung miterleben. Den Festmachern und Hafengrandies wird dann u.a. »John Kanaka« gewidmet, um ihre Arbeit zu würdigen. Unsere russischen Freunde bringen dann Bewegung in die Seelen mit »Kalinka,Kalinka«. Inzwischen ist von dem russischen Kriegsschiff, das uns gestern nachmittag überholt hat, ein kleines »Musikcorps« zu uns herübermarschiert und intoniert unter Leitung seines schwer mit Orden behängten Chefs Marschmusik – volles Rohr.

In der Hafenroutine gibt es andere Essenszeiten. Mittagessen erst um 13 Uhr: Nackenkoteletts (?) mit Kartoffeln und Frischgemüse, wobei nie Dill fehlt. O-Ton Stefan F: »Wir werden hier jeden Tag gedillt!«

Zum Kaffee gibt es dieses Mal nur Brot und Marmelade. Dabei ist Donnerstag doch Seemanns- Sonntag. Aber die alten Bräuche verschwinden in unsere modernen und schnelllebigen Zeit. Andererseits können wir uns natürlich über das Essen an Bord überhaupt nicht beschweren. Die Hafenroutine schreibt vielleicht auch eigene Gesetze... Der Nachmittagskaffee dauert an einzelnen Tischen sehr lang und geht z. T. in eine Weinprobe über. Dabei kommt jeder zu Wort, egal zu welchem Problem. Solche Aussprachemöglichkeiten reinigen die Seele und kommen dem Chorgeist zugute...Außerdem: Was haben wir an Land zu schaffen? Es regnet die ganze Zeit.

Das Abendessen, Suppe, Leber, Kartoffelbrei und Gemüse, bietet eine gute Grundlage für die weitere Gestaltung des Abends. Die meisten bummeln auf der »Festivalmeile« (bis zu 8,5 km) ein Stück. Die Bühne »Cabaret des Fanfares« ist doch sehr weit. Der Rasenplatz, an dem das große (Zirkus)Zelt steht, ist schon völlig aufgeweicht. Wacker oder Roskilde lassen grüßen!

Unterwegs beginnt es wieder zu regnen. Wir flüchten in eine Kneipe und finden sogar ein trockenes Plätzchen, um ein Bier zu trinken. Schade um das Festival, wenn das Wetter so anhält. Zurück an Bord, müssen wir erst einmal dafür sorgen, dass wir unsere Klamotten wieder trocken kriegen. Die Messe ist noch sehr frequentiert mit Skatspielern und Gesprächsrunden. Erst gegen Mitternacht geht hier das Licht aus. Geben auch einem Passagier der »Sedov« Asyl, da sie erst morgen mittag erwartet wird. Interessant, der Gast aus Saarbrücken wird sich auf der »Sedov« einschiffen, um nach Valparaiso zu segeln.Im Klartext: Rund Kap Hoorn (in ca. drei Monaten).

6.Tag: Freitag, 13. Juli 2012: Bienvenu à Brest (1. Hafentag)

Das Wetter ist im Vergleich zu gestern fast schön zu nennen. Der Südwest ist deutlich weniger geworden, der Himmel ist zwar noch grau, aber schon strukturiert. Und Gerhard M. hat ein Jahr zugelegt. Er hat »einen« ausgegeben, mit dieser Grundlage gab es seitens des Chores ein freudiges, lautstarkes »Besanschot an«! Alles wird gut! Wir haben ja auch heute Freitag, den 13.!

Uwe W. versucht, eine Liste für das Meeresfrüchte-Essen (mit drei Alternativen) am 16. 07. den Männern klarzumachen. Zum Glück ist und bleibt er ein ruhiger Mensch, denn es gibt ein ungeahntes Fragepotential, ehe eine solche Strichliste fertig ist. Wer weiß schon, was daraus am Tag der Wahrheit wird!

Uwe, der permanent die Sprachbrücke zu den französischen Gastgebern bildet, versorgt uns mit denn nötigen Details. Zwar hat er wegen unseres Aufenthalts beim Festival »Les tonnerres de Brest« (etwa »Donner von Brest«) vor drei Wochen einen Erkundungsflug hierher gemacht und auch viel im Sinne des Chores dabei im Vorfelde bewirkt, aber jeder Tag hier steht unter den klein gedruckten Buchstaben »Änderungen vorbehalten«. Welche gute Organisation würde sich dieses eleganten Moduls berauben wollen! Das Organisationszentrum ist permanent überlaufen, kein Wunder, doch perfekte Französischkenntnisse bewirken Wunder. Etwas beschwerlich ist der Transport der schweren Akkordeons, denn die offiziellen Wasser-Taxis gibt es nicht, nur irgendwelche privaten, spontanen, aber nicht zuverlässigen. Das französische Organisationskomité ist z. B. mit der Transportfrage überfordert und flüchtet sich dann in den sprichwörtlich französischen Charme mit den entwaffnenden Worten »Bienvenu à Brest!«

Unser Liegeplatz an einem Ende der Festmeile hat den Nachteil, dass wir jetzt selbst alles für unsere Auftritte meilenweit mitschleppen müssen. Doch es gibt immer ein starkes, freiwilliges Trägerkontingent. Und wer etwas fußlahm ist, bekommt Begleitschutz. Wir lassen niemanden im Regen stehen, auch nicht, wenn es richtig regnet.

11 Uhr gemeinsamer Abmarsch vom Schiff. Eine »blaue« Karawane bewegt sich auf das riesige Zelt zu, wo die Musikinstrument wie an einer Garderobe abgegeben werden können. Unterwegs sehen wir plötzlich die rötlichen Masten der einlaufenden »Sedov«. Vor dem Zelt lässt Stefan F. seine Männer Aufstellung nehmen und sie einen Shanty für das vorbeiflutende Volk zum Besten geben. Für ein paar Minuten Stau. 41 Männerkehlen setzen das Festivalmotto Les tonnerres« live um – mit dem entsprechenden maritimen Sound. Spontaner Beifall brandet auf, die Augen der Männer glänzen.

Mittagessen auf Einladung des Festivalkommitées in einem riesigen Zelt hinter der Orga- Zentrale.

2400 Essen werden hier pro Tag ausgegeben. Wir sind zeitig dran, werden sehr freundlich empfangen und bekommen ein sehr leckeres Essen: statt der gewohnten Suppe eine große Scheibe Pastete mit Gürkchen und einer Cherrytomate und einem kleinen Baguette, dann Hähnchen mit Beilage, abschließend ein kleiner Obstsalat. Dazu ein Getränk und – natürlich – Kaffee. Spitzenmäßig. Wir sitzen an langen Tischen und lassen es uns gut schmecken.

Gepäck- und Instrumentenaufnahme, die Karawane zieht weiter. 12.45 Uhr die lange vermisste Sonne bricht durch die Wolkendecke! Alles wird gut – auch ohne Sonnenbrille.

Der Weg an den diversen Hafenbecken zieht sich endlos hin. Größere Schiffe, französische, englische, viele holländische, sind mit Tagesgästen in die Bucht gefahren. Die riesige Marina, knallvoll mit überwiegend weißen Yachten, blendet in der Sonne. Schräg gegenüber ist unser Auftrittsplatz, die Zeltarena »Cabaret des Fanfares«, auf einer immer noch quitschnassen Wiese. Sind zeitig vor Ort. Vor uns singt eine gemischte Eskimogruppe aus Ostgrönland. Schon bei den ersten Klängen lauschen wir wie verzaubert, und manch einer löst schon heimlich die Leinen, um den Tönen nachzufahren. Grönland – Zauberland. Leider gibt es außer uns nur wenige Zuhörer. Vermutlich sind die Leute jetzt überwiegend »Sehleute« und genießen die ungewohnten Sonnenstrahlen. In die Tiefe des dunklen Zeltes verirren sich nur wenige.

14 Uhr Auftritt vor einer überschaubaren Zuhörerschar. Stefan, die Vorsänger, allen voran Ralf St., und der Chor bieten einen guten Auftritt. Die Aussteuerung der Musikanlage erfolgt professionell. Uwe W. bewährt sich als einfühlsamer Moderator en francais, hat aber etwas Schwierigkeiten, die Reihenfolge der Lieder rechtzeitig zu erfahren, um inhaltlich darauf vorzubereiten. Der Clou in Form eines totalen Lichtausfalls kommt kurz vor Schluss. Gerade wollte Heinz J. mit dem bretonischen Fischerlied »Querz« einsetzen, da stehen alle auf Schlag im Halbdunkel. Stefan bannt mit einem Rundumblick seine unterbelichteten Männer und flüstert gut vernehmlich: »Wir sind Profis!« und hebt den imaginären Taktstock. Die Musik setzt ein und die bretonisch klagende Stimme von Heinz erfüllt das Zelt. Die französischen Zuhörer sind wie elektrisiert, als sie ihre bretonische Hymne aus deutschen Kehlen hören. Für diese Präsentation gibt es lang anhaltenden Beifall. Heinz sieht sehr zufrieden aus. Das Licht kehrt schlagartig zurück. Wir aber haben die Auszeit in einer sehr erfolgreichen Weise genutzt. Den Schluss setzt Stefan als Vorsänger mit dem französischen Lied »Allons à Messine.« (»Wir gehen nach Messine). Damit verschafft sich der Chor nicht nur einen tollen Abgang , sondern auch Eingang in so manches französische Herz.

Draußen hat die himmlische Sprinkleranlage ihre Schleusen wieder geöffnet. Jeder kämpft sich, so gut er kann, zurück an Bord. Hier und da wird noch ein Bier getrunken, der Musik auf anderen Bühnen wird zugehört, aber mit zunehmendem Regen macht das alles doch wenig Spaß, zumal man einigermaßen mit durch- oder angefeuchteter Kleidung zurückkehrt. Trocknungsproblem!

19 Uhr Abendessen an Bord: Gemüsesuppe, Schlag Gulasch, Reis und gedilltes Frischgemüse. An Gesprächsstoff fehlt es nicht, auch die restlichen Chormitglieder von der »Sedov« haben viel zu erzählen.

Wer später noch einmal an Land geht, um sich in das Festival-Getümmel zu stürzen, erhält ab 23 Uhr erneut die gnadenlose Dusche. Just um diese Zeit ist eine Hafenrundfahrt angesetzt, an der viele Schiffe beteiligt sind. Laserstrahlen schwenken durch den Himmel, unterstützt von etwas Feuerwerk. Schade, dass das alles mehr oder weniger ins Wasser fällt. Die Menschen verlassen scharenweise das Gelände. Über den Hafen hämmert in unvorstellbarer Lautstärke »Querz«

mit dem wehmütigen Refrain » O ran di ran di ro«.

7.Tag: Samstag, 14. Juli 2012: Welcome on board of SS »Kruzenshtern« (2. Hafentag)

Wolkig-sonnig-windig: Ein schöner Tag kündigt sich an und bleibt auch so trotz des anders lautenden Bordwetterberichts. Es ist das Wetter für den französischen Nationalfeiertag, ein wahres Geschenk, wenn man an die Vortage denkt. 1789 wurde die Bastille als Zeichen des Ancien Régime gestürmt, heute steht die Brester Festmeile vor einem gewaltigen Ansturm, aber gut gerüstet und freundlich gesonnen. Präsident F. Hollande soll sogar seine Aufwartung machen. Das größte Geschenk an diesem Tag für uns ist die Nachricht, dass die »Kruzenshtern« die ganze Festwoche über im Hafen bleibt und wir nicht tagsüber von Bord müssen. Änderungen vorbehalten.

Als wir am späten Vormittag das Schiff verlassen, ist der Ansturm schon da: Auf einer Länge von ca. hundert Metern staut sich eine Warteschlange in Doppelreihe vor beiden Viermastbarken. Mit unserem »Kruzenshtern«-Button können wir »Trainees« jederzeit und sofort an Bord. Die beiden weltgrößten noch segelnden Viermastbarken nebeneinander an der Pier – ein stolzer und möglicherweise ein einmaliger Anblick! Das Flair der vergangenen Segelschiffszeit wirkt nachhaltig. Diese beiden »Dinosaurierer« und letzten Zeugen einer großartigen Zeit sind hier der Publikumsmagnet.

Der Weg zum Essenfassen heute ist deutlich erschwert, da unzählige Menschen die Piers bevölkern.

Die ehrenamtlich arbeitende Crew im Essenszelt begrüßt uns so freundlich wie am Vortage. Wir revanchieren uns mit zwei Shanties zu Beginn und am Schluss unseres Essens und erhalten neben freudigem Beifall gleich einen zweiten Kaffee eingeschenkt. Bei »John Kanaka« werden wir von einer großen holländischen Truppe in »Orange« spontan unterstützt. So klappt Völkerverständigung.

Die Mahlzeit ist wieder ganz exzellent, die Unterschiede zwischen russischer und französischer Küche sind offensichtlich, aber nicht existenzbedrohend. Wir speisen mit Genuss einen grünen Salat mit gerösteten Schinkenwürfeln, dann eine Lachsschnitte mit einem Gemüseensemble, das von Karotte dominiert wird, und schließen mit einer Biskuitrolle (zweifach) mit Soße, dann (zweimal) Kaffee. Die Getränkeauswahl ist individuell. So gestärkt fällt der weitere Weg zum Auftrittsort »Cabaret des Fanfares« nicht mehr schwer. Wir haben genügend Zeit, und es gibt rechts und links des Wegs soooviiiel zu sehen und zu hören. Die Dudelsackpfeifer-Gruppen nerven ein wenig, aber die roten oder gelben und rosa verkleideten Brass-Bands verbreiten einen beswingten Mitmach-Rhythmus und nur gute Stimmung. Und die Sonne scheint, dunklere Wolken aus Nordwest rauschen spurenlos vorüber. So kann Festival sein!

Die Wiese vor unserer Zeltarena ist nach wie vor quietschnass. Wacken lässt grüßen. Der Besucheransturm hier auf dem Feuchtbiotop hält sich in Grenzen. Wir sind noch lange nicht dran, die Auftrittszeiten haben sich deutlich nach hinten verschoben. Änderungen vorbehalten. Eine Gruppe aus Guadeloupe macht endlose Soundchecks und singt und spielt mit einer Lautstärke, als ob sie den ganzen Hafen beschallen wollten. Auf die Dauer unerträglich. Das Festzelt leert sich zusehends...

Mit mindestens einer Stunde Verspätung können wir endlich auf die Bühne. Chorleiter Stephan F. hat einige Lehren aus unserem ersten Auftritt gezogen. Gleich von Beginn wird mit der landessprachlichen Moderation von Uwe W. und dem französischen Lied »Allons à Messine« das französische Publikum umworben, zwischendurch dann die bretonische Hymne »Gwerz« und zum Schluss noch einmal »Allons à Messine«. Das kommt sehr gut an, verstärkt die Zuhörerzahl merklich und hält sie auch einigermaßen stabil, wenn Brass Bands oder Hubschrauber ohrenbetäubend an uns vorbei- oder über uns hinwegdonnern. Ein Festival-Auftritt ist doch sehr verschieden von einer Konzert-Aufführung. Das Publikum lässt sich nur fesseln, wenn etwas besonders gut geboten wird, ist an eher an kleinen »Schnäppchen« interessiert, lässt sich von Rhythmus und Bewegung einfangen. Deshalb hat Stephan das Programm auf eine ausgewogenere Mischung aus schnell und eher langsam vorgetragene Shanties eingenordet. Natürlich fesselt auch höchste Darstellungsqualität, aber sie nützt wenig, wenn sie in Konkurrenz treten muss mit Geräuschkulissen von draußen. Der Passat Chor gibt sein Bestes , auch wenn der eine oder andere etwas enttäuscht sein mag, dass sich nicht alles in diesem ständigen Kommen und Gehen der Zuhörer hundertprozentig koordinieren bzw. realisieren lässt. Wichtig ist, dass man danach in Ruhe und Gelassenheit die richtigen Schlüsse für die weiteren Aufführungen zieht. Dazu gehören auch die Lösung des Transports der schwergewichtigen Musikinstrumente und die stressfreie Bewältigung längerer Fußwege durch ein Getümmel von Zehn- oder Hunderttausenden von Besuchern. Man wusste wohl vor der Reise von möglichen Belastungen, aber es ist doch etwas anderes, wenn sie dann tatsächlich eintreten. So schafft jeder Tag neue Herausforderungen sowohl für Thomas Th. als Reiseleiter und Uwe W. als Reisemoderator als auch für Stephan F. als Chorleiter und den gesamten Chor: »Nerven bewahren! Wir sind Profis!«

Durch das gemeinsame Erlebnis der Fahrt an Bord der »Kruzenshtern« sind dem Chor »Seebeine gewachsen« , und wer auf diesen steht, besitzt Standfestigkeit und ist in der Lage, Probleme im solidarischen Geiste und im Sinne des Ganzen zu bewältigen.

Der Tag hat alles von uns abverlangt. Die körperlichen Strapazen sind manchen anzusehen. Deshalb

erweisen sich das Bier und die Sitzgelegenheit, von Thomas Th. spontan im Nachbarzelt geordert, als wahre Labsal für Körper und Seele. Stephans Vorschlag dagegen um 18 Uhr noch einmal ein paar Lieder vom Heck der »Kruzenshtern« herab für die Leute in der Warteschlange zu singen und damit zugleich ein kleine Chorprobe zu verbinden, findet jedoch nicht ungeteilte Zustimmung, wird aber natürlich durchgeführt.

Das von Uwe W. organisierte Abendessen auf der Pier im Bereich des »Russischen Dorfs« ist strategisch sehr vorteilhaft. Den kurzen Weg schaffen auch die ganz Fußlahmen. Das bretonische Essen verursacht manch einem Rätsel, da es in Teilen schwer zu identifizieren ist. Aber nach der Devise »Nützt ja nichts« wird (fast) alles gegessen, was auf den Teller kommt.

Bis zum großen Feuerwerk ist noch viel Zeit, die für den gemeinsamen Gedankenaustausch oder für die persönliche Erholung genutzt wird.

Gegen 23 Uhr beginnt das große Feuerwerk zu einer aufwühlenden Musik. Die Piers und Stadtmauern sind voller erwartungsfroher Zuschauer. Die Bucht von Brest wird von Hunderten, vielleicht sogar Tausenden von großen und kleinen Segelbooten bevölkert. Dann öffnen sich die Schleusen der Musikanlage, aus den riesigen Boxen quillt ein gewaltiger Musikstrom über den Hafen. Man spürt, dass die Musik viel mit dem Element »Wasser« zu tun hat und wohl viele Facetten von Meer zum Ausdruck bringen soll, vom sanften Wellenschlag bis zur Brachialgewalt der Brandung. Darauf abgestimmt das abwechslungsreiche Farbenspiel des Feuerwerks in imerr neuen Variationen. Vielleicht ist es auch eine Art Hommage an die fünf Länder Indonesien, Marokko, Mexiko, Norwegen, Indonesien und Russland, die bei dem diesjährigen 20. Brest -Festival im Mittelpunkt stehen. Das fast 45minütige Feuerwerk überstrahlt den ganzen Hafen und taucht die Hafenmole, die vielen Schiffe in ein Lichtermeer – ein grandioses Fest der Sinne, ein unvergessliches Erlebnis.

8.Tag: Sonntag, 15. Juli 2012: Brest in Dill-Dur (3. Hafentag)

Sonntag – ein freier Tag für jeden von uns ab Frühstück (keine Änderungen vorbehalten). Heute liegt nichts an, jeder kann für sich am Hafentreiben teilnehmen oder in die Stadt gehen oder...Die selbst bestimmte Freiheit macht Kopf und Seele empfänglich für viele neue Eindrücke dieses Festivals.Nach soviel Gemeinsamkeit in den letzten Tagen ist heute der erholsame Tag der Individualität gekommen.

Erneut Besuchermassen, die sich heute aber nur an bestimmten Highlights aufstauen. Unsere »Tall ships« gehören wieder dazu. Stephan F. macht für bzw. mit Interessierten etwas Musik auf dem Brückendeck und verströmt einen zarten Sound nach seinem Tagesmotto: »Eine Dill-Dur-Leichtigkeit schwebt über allem«.

Die einen von uns erstürmen die Stadtmauer und die Bastion, fahren mit der Straßenbahn kreuz und quer durch die Stadt, andere – so wie meine Kleingruppe – sucht sich ein Standquartier inmitten des Festivals und lässt das Leben an sich vorbeitreiben. Dieser Standort ist die kleine Fischhalle am Hafen, die gerade rechtzeitig um 12 Uhr öffnet und eine gute Palette von Meeresfrüchten vorhält. Wir müssen uns sachlich auf den morgigen Tag einstimmen, um für den Besuch der Austernzuchtanlage gerüstet zu sein. Deshalb müssen wir von allem, was da ist, entsprechend probieren: Austern, Miesmuscheln, Langustinos, die mit den Langusten aus dem Kattegat vergleichbar sind, etwas kleinere Crevetten, Fleisch aus den Scheren von großen Taschenkrebsen...Dazu natürlich einen gut gekühlten Weißwein, Brot. Die Puhlerei macht Spaß, ist Anlass zu heiteren Geschichten. Glückliche Stunden. Die Volksfest-Ströme gewähren uns nebenbei so mancherlei Einblicke in das menschliche Dasein – aber nur von der heiteren Seite. Heute ist ja auch Sonntag.

Irgendwann trudelt jeder wieder auf der »Kruzenshtern« ein – beladen mit vielen Eindrücken und Erlebnissen und regt den Gedankenaustausch an. Und natürlich auch den Vergleich mit unseren maritimen Veranstaltungen im Norden. Bald kommt die Travemünder Woche beispielsweise. Viele von uns spüren, wie anders hier in Brest die Hafentage begangen und gestaltet werden. Die vielen alten Schiffe, die urigen Musikgruppen und die Menschen, die hier zusammenströmen, um mit den Gästen aus aller Welt, friedlich, fröhlich und niveauvoll ihre Bretagne zu feiern, eine eher karge Region, die traditionell durch Fischerei und Seefahrt geprägt ist. Natürlich gibt es die »Fressmeile«, sie ist notwendig für die Hunderttausenden von Menschen, die hier zusammenkommen, aber sie ist nicht alles. Das Festival hat ein ansprechendes Angebot an »Kultur« im weitesten Sinne. Ein Magnet beispielsweise ist der Bootsbau, wo die Menschen live in einem großen Zelt miterleben können, wie Kanus oder kleine Segelboote entstehen. Ganz anderes Beispiel: An einem Einmann – Stand zeichnet ein junger Künstler »Bierdeckel-Segelbilder«. Es ist Mickaël Eymann, der vor Jahren eine Zeitlang auf der »Norden« gefahren ist, die in Neustadt/ Holst. liegt und zufällig Stephan Flecks Bruder gehört. Mickaël ist ein »Dessinateur-memoriste«, der die Pläne von 5.000 Schiffen im Kopf haben soll, darunter natürlich auch die Ansicht der »Passat«. Als wir ihn entdecken und Stephan ihn in seine Arme nimmt, schließt sich freundschaftlich ein Kreis, der 1992 mit dem Besuch der Norden auf dem ersten Festival in Brest begonnen hat.

Ein drittes Beispiel:Für die Familien ist die noch recht junge, aber prosperierende »Agriculture« der Region mit Kühen, Kälbchen, Ziegen, Kaninchen ein Magnet, insbesondere für die Kinder. Tiere zum Anfassen... Und dann natürlich die fünf Dörfer mit ihren Ausstellungen und Aktionen...

Manchmal ist es aber auch nur reine, ungeplante Situationskomik. Hans-Peter H. erzählt noch am nächsten Morgen mit Hamburger Timbre in der Stimme und Schalk in den Augen, unterstützt von Mike, von einer urkomischen Szene, die von Louis de Funés stammen könnte: Der Chef eines Lokals, dessen Hot Dog-Angebot offensichtlich nicht in seinem Sinne lief, versuchte Besserung des Geschäfts mit einer Spezialwerbeaktion. In Ermangelung eines Schildes bemächtigte er sich eines mindestens drei Meter langen Brettes, das er in einer aufwendigen Bohraktion als Werbefläche zu befestigen suchte. Mal rutschte die Schraube weg, mal gab der Akku vorzeitig seinen Geist auf. Ein endloses Spiel von Geben und Nehmen. Das überlange Brett war schwer zu bändigen und wollte eher schief angebracht werden. Kabarett vom Feinsten. Nachdem die Chorgruppe von der Amüsier- in die Mitleidsphase geraten war, nahm der Chef erstaunt, aber dankbar die Handreichung von Mike sofort an. Doch womit sollte die Schrift aufgetragen werden? In Ermangelung eines Pinsel griff der Chef jetzt nervös und genervt zum erstbesten Hot Dog, tunkte es in die Farbe, und die Werbeinschrift entstand mit dickem Würstchenstrich – authentisch sozusagen. Der Chef war zufrieden und spendierte Wein für jeden von der Allemand-Truppe. C’est la vie!

Um 23 Uhr beginnt wie an den Tagen davor die Musik für den nächtlichen Hafenkorso, der wieder von zahlreichen, auch großen Schiffen, voll von Gästen, durchgeführt wird. Laserbatterien begleiten ihn und auch ein wenig Feuerwerk. Ein erlebnisreicher Sonntag neigt sich dem Ende zu. Die Menschen sind zufrieden, wir sind zufrieden, aber auch -zugegebenermaßen- ein bisschen müde.

9.Tag; Montag. 16. Juli 2012: Finistere - Ende der Welt?  (4. Hafentag)

Heute große Landpartie - Erholung von Stadt und Festival. Der Bus wartet am Eingang, mit an Bord ist Christoph, etwa 30 Jahre alt, in Hamburg geboren, dort wohl auch zur Schule gegangen, dann mit der Familie nach Frankreich gezogen, jetzt in Brest wohnhaft. Hier ist er Fischer (im November/ Dezember für Jakobsmuscheln), hier macht er seine seemännischen Patente und ist große Teile des Jahres im Off Shore-Geschäft der Ölindustrie vor Afrikas Küste tätig. Heute ist er unser landeskundiger Führer, kein professioneller Reiseführer, wie er betont.

9 Uhr Start. Verlassen die Stadt über die Südroute, vorbei am Handelshafen, vorbei am vornehmen Yachthafen von Moulin Blanc und an dem meereskundlichen Institut „Oceanopolis“, einem der am besten ausgestatteten Aquarien Europas. Gegenüber liegt die Halbinsel Crozon, wo Atom-Uboote stationiert sind.

Brest, so die Übersichtsinformation, hat ca. 140.000 Einwohner und so gut wie keine bedeutende Industrie. Nach der ziemlich vollständigen Zerstörung durch Luftangriffe der Alliierten 1944 (gegen die deutsche Uboot-Basis) ist die Stadt in einem gesichtslosen Stil nach dem Krieg wieder aufgebaut worden (Erinnerung an Plattenbau-Stil). Erst jetzt nach ca. 50 Jahren hat wieder eine neue Bauphase begonnen. Am nördlichen Stadtrand durchfahren wir Einfamilienhaus- Siedlungen. Ganz neu ist die Rückkehr zur Straßenbahn, die die Außenbezirke mit dem Zentrum verbindet.

Es ist bewölkt, kühle 16° C begleiten uns bei der fast 45minütigen Stadt-Umfahrung. Wir queren den Stadtfluss Penfeld auf dem Weg nach Westen.

Eintauchen in die Region von Finistere, Pendant zu Lands End in Cornwall, im äußersten Südwesten Englands. Finistere ist die westlichste Festland - Ausdehnung Frankreichs, nicht zu verwechseln mit Kap Finisterre, dem westlichsten Punkt Kontinentaleuropas, vorgelagert vor dem bekannten Pilgerziel Santiago de Compostella in Spanien.

Ende der (französischen) Welt? Was bedeutet das? Wir erleben eine stark strukturierte, felsig zerklüftete, eher wilde Landschaft, geprägt von Busch - und Baumbestand, Wiesen und kleinen Weizen-, besonders aber Maisfeldem. Einzelne Bauernhöfe (Milchvieh und Rinder­und Schweinemast), einige wenige Dörfer. Erdbeer-Anbau soll es hier geben, sehen wir aber nicht.

Gegen 10 Uhr im kleinen Badestädtchen Plougonvelin mit alten Villen, wohl begehrte Sommerfrische von wohlhabenden Brester Familien. Es herrscht Ebbe, etwas trostloser .Anblick. Bahnen uns mit dem Bus den Weg durch schmale Gassen, vorbei am Fort Bertheaume, einer Festung, erbaut von Vauban, dem Baumeister Ludwigs XIV., die seitdem den Zugang zur „Rade de Brest“ bewacht hat.

Weiterfahrt nach Westen auf sehr enger Straße bis zur Pointe St.-Mathieu, einem beeindruckenden Ensemble aus Leuchtturm (19. Jhdt.) und verfallener Abtei (6. Jhdt.) an der Kante einer schroff abfallenden Steilküste.

Vor uns die endlose Weite des Atlantiks und ein paar Möwen, die im Wind auf Futtersuche die Küste absegeln. Das Kloster soll nach bretonischen Chronisten das Haupt des heiligen Matthäus aufbewahrt haben, eine Geschichte, die - mit Verlaub - der von „Käp’ten Kid“ zu ähneln scheint. Erhalten sind nur noch Teile der Fassade der Abteikirche aus dem 12. Jhdt. und der Wehrturm neben dem Chor. Der Glockenturm der j Abtei war der erste Leuchtturm Frankreichs und erhielt bereits 1740 eine verglaste Laterne mit 60 Spiegeln. 1865 wurde der heutige 37 Meter hohe Leuchtturm gebaut, dessen Signal (ein Blitz), alle 15 Sekunden gesendet, 29 Seemeilen (fast 58 Kilometer) weit reicht, eine wichtige Navigationshilfe für alle Seeleute.

Etwas unterhalb, nordöstlich gelegen, erstreckt sich das Denkmal zu Ehren der gefallenen Marinesoldaten und Seeleute der Weltkriege, überragt von einer turmartigen Stele mit dem •'Gesicht einer trauernden Frau, die vergeblich nach den auf See Gebliebenen Ausschau Weiterfahrt jetzt nach Norden zu dem Hafen La Conquet, einst ein gefürchteter Korsarenschlupfwinkel, heute ein harmlos erscheinendes Provinznest. Weiter geht’s Richtung Plouarzel. Die Häuser, die am Wegesrand liegen, sind alle verhältnismäßig klein, sind weiß verputzt, haben Fenster- und Türlaibungen aus Granit und ein schiefergedecktes Satteldach, aus dessen Enden Kaminzüge ragen. Als Blumenschmuck vor den Häusern werden Hortensien bevorzugt, deren große Blüten wie „Scheinwerfer“ in den Landesfarben Blau, Weiß und Rot erstrahlen.

Fahren auf verwunschenen kleinen Straßen wieder an die Küste. Irgendwie immer noch Gallier-Land, jedenfalls in meiner Vorstellung. Leuchtfeuer von Trezien und Pointe de Corsen, westlichster Punkt des französischen Festlandes. Steil fällt die stark zerklüftete Küste zum Atlantik ab. Ein paar weiße Segel auf der riesigen Wasserfläche, in der Feme an Backbord eine Kette von vorgelagerten Inseln, vor allem Molene und Quessant, die am besten \ on Le Conquet per Schiff zu erreichen sind. Irgendwo hier muss der große Öltanker „Amoco Cadiz“ 1978 zerschellt sein. Wegen Ruderausfalls und unzulänglicher Schlepperhilfe ist er gestrandet, zerbrochen und hat mit einer Ölkatastrophe ungeahnten Ausmaßes (223.000 Tonnen Rohöl) die Natur, die Strände, die Buchten, das Meer, den Tourismus und die Fischerei jahrelang geschädigt. Äußerlich ist von der Verschmutzung nichts mehr zu sehen ... Die Folgen für die Schifffahrt waren gravierend, da die Großschifffahrt seitdem auf küstenfeme Wege umgelenkt und eine nachhaltige Überwachung eingerichtet worden ist. Schlepperhilfe ist bei Notfällen Pflicht.

11.19 Uhr: Der erste Sonnenstrahl bricht durch, und der Himmel zieht vom Meer her frei. Das Thermometer steigt gleich auf 18° C.

Passieren auf der Weiterfahrt neun (!) Windmühlen - eine Rarität. Wind gibt es hier 50 Meter über dem Meer genug, Frankreich aber setzt im allgemeinen lieber auf Atomenergie. Erreichen den Fjordhafen Lanildut um 12 Uhr. Die Fjorde, die die bretonische Küste zergliedern, heißen „Aber“. Am Aber-Ufer erstreckt sich der Fischereiort Lanildut, benannt nach dem heiligen Ildut. Geographisch endet hier der Ärmelkanal, und der Atlantik beginnt. Der Hafen Rocher du Crapaud, benannt nach einer Felsklamotte in der trichterartigen Mündung, ist nicht mehr so bekannt für seinen Fisch, sondern heute als Anlandungsplatz für Algen. Es ist der größte europäische Umschlagsplatz für Algen, deren meterlange schwarzbraune Bänder mit Greifern vom Boot aus küstennah geerntet werden. Aus solchen Algen wird heutzutage z. B. Gelatine hergestellt. Übrigens: Um das schwere Schicksal einer Algen-Sammlerin auf Inseln wie Molene geht es auch in dem bretonischen Kult-Lied „Gwerz“.

Langsam stellt sich ein bohrender Hunger ein. Um den Hungerwolf zufrieden zu stellen, starten wir um 13.15 Uhr und fahren nach Lannilis am „Aber Wrac'h“. Dieser Fjord ist mit 10 Kilometern der längste, der sich in das Festland gefressen hat. „Wrac’h“ heißt „Hexe“, wie geschaffen für die Legendenbildung an der „Cöte des legendes“.

Hier irgendwo am Aber landen wir in einer traditionsreichen Austern- und Meeresfrüchtefarm, die für uns eine entsprechende Verköstigung in einer Halle vorbereitet hat. Das angeschlossene Lokal ist montags geschlossen, wir aber erhalten privatissime einen sehr nachhaltigen Eindruck von der Vielfalt und Güte von Meeresfrüchten, dazu einen trockenen Weißwein und etwas Brot, das leider etwas zu früh zur Neige geht. Auf der großen Back, die wir umstehen, befinden sich diverse Körbe mit meeresfrischen Köstlichkeiten in reicher Auswahl. Von uns war dieses Event zwar ganz anders geplant, es waren großartige Listen angefertigt, wer welche und wie viele Meeresfrüchte zu verzehren gedachte. Aber solche deutschen Strichlisten verwirren Franzosen offensichtlich. Kein Franzose kann sich wirklich vorstellen, dass ein Landsmann, einmal vor Ort, seinen Appetit auf sechs Austern begrenzt - freiwillig. Also gibt es eine volle Back für alle, wobei die ersten Austern sehr schnell weg sind und man scharf darauf achten muss, wo weitere Ladungen auftauchen. Austern, Miesmuscheln, Vongole (Herzmuscheln), Wellhornschnecken, Crevetten, Langusten, Krabben (wie aus der Nordsee) - Neptuns Tisch ist reich gedeckt, dazu feine Saucen, wer will, auch Butter. Was man nicht so alles essen kann! Für uns Norddeutsche ein Schlemmerbufett - wie für Gott in Frankreich.

Ob sich alle von uns so fühlen, ist nicht bekannt. Bei dieser Vielfalt dürfte aber niemand hungrig in den Bus gestiegen sein. Vorher kann man sich in einem großen Nachbarraum noch die riesigen Bassins mit großen Hummern, Strandkrabben und Langusten anschauen. Als Mitbringsel jedoch eher ungeeignet.

Abfahrt 14.50 Uhr. Nehmen jetzt den Schnellweg und sind um 15. 30 Uhr wieder an Bord.

Kurze, intensive Erholphase

16.30 Uhr Auftritt im „Russischen Dorff Eine Stunde lang geben wir unser Bestes. Freundlicher Beifall. Haben ein kühles Bier von Bord mitgebracht, das jetzt die glühenden Kehlen der Männer hinunterzischt...

Heute ist „Tag der Russen“. Der Chor hatte ursprünglich einen gemeinsamen Auftritt mit unseren Kadetten vorgeschlagen, was dann aber doch nicht so ganz in den „offiziellen Kram“ gepasst hat. Also nutzen die Russen, die Tanzgruppen eingeflogen haben, die Bühne für eigene Präsentationen. An Bord der,,Kruzenshtern" findet dann abends das „offizielle Programm“ statt - mit hohen russischen Würdenträgern. Die Jungs an Bord aber interessieren sich vor allem für die hübschen, schlanken, sportlichen Tanzgirls mit den Endlos - Beinen, die ihre Shows auf dem

Später ist dann „Feuer frei“ für eine Disco-Party auf dem Hauptdeck. Da steppt dann aber auch der russische Bär! Punkt 22 Uhr ist Schluss - ohne jede Zugabe.

Um 23 Uhr beginnen die Hafenlautsprecher wieder zu glühen: Musik, Licht, Feuerwerk, dazu der Hafenkorso der Oldtimer bis Mitternacht. Mit diesem beeindruckenden Spektakel geht wieder ein Tag voller Erlebnisse und Eindrücke zu Ende. Von wegen: Ende der Welt! Übrigens, mit einer Information hat Christoph beim Abschied heute so etwas wie eine Angel nach uns ausgeworfen: 9-10-11 August 2013 „Festival du Chant de Marin“ in Paimpol an der Cötes d’Armor“ in der Bretagne!

10.Tag: Dienstag, 17. Juli 2012: Wir haben ein Problem (5. Hafentag in Brest!

Diesig schleppt sich der Tag in den Vormittag hinein. Erst gegen Mittag setzt sich wie an den Vortagen die Sonne gegen alle Barrieren durch und überschüttet uns dann mit Licht und Wärme.

Vormittags liegt nichts Besonderes an, die Auftrittszeiten sind beim Frühstück bekanntgegeben worden, die Bons für Mittag- und Abendessen sind verteilt. Jeder kann sich noch einmal, wenn er dazu Lust hat, ins weitläufige Getümmel des Festivals stürzen. Oder sich aut den großen Auftritt am Nachmittag vorbereiten. Dieses Mal klappt sogar der Transport der Musikinstrumente. Olala, Brest! Uwe W. hat offenbar erfolgreich seinen ganzen Charme bei Frederique eingebracht, die einflussreich im Organisationszentrum wirkt und seit einigen Tagen stolze Trägerin einer „Passat Chor“ - Kappe ist.

Vormittagsroutine: Die Führungscrew des Chores ist mit der Klärung anstehender Fragen zum heutigen Auftritt, zum Bürgermeister-Besuch und zur morgigen Abfahrt gut beschäftigt. Das

Abschiednehmen beginnt in Etappen schon heute. So hat unsere Messe-Fee Tatjana während des Frühstücks ein kerniges Ständchen vom Chor als Dank für ihren Service erhalten.

Später tritt dann auch noch „Prinz Eugen“, der 1.Offizier Jewgenij, an Thomas Th. heran und erklärt eiskalt: „You have a big problem!“ Das ist Letzte“, was er jetzt braucht. Er versucht, gelassen bleiben... Alkohol! Beide Männer beginnen zu lachen.

„Prinz Eugen“ hat sich einen Überblick über unsere derzeitigen Wein- und Biervorräte verschafft und entwickelt zunächst folgenden negativen Masterplan für unsere Abreise. Sinngemäß etwa so: ,Wenn (falls?) ihr den gesamten Restalkohol heute trinkt, entfällt die Abreise morgen hundertprozentig. Wenn (falls?) ihr die Vorräte der Crew schenken solltet, bricht hier an Bord todsicher die totale Revolution aus.' Was geht überhaupt? Sein positiver Vorschlag lautet: Die „Kruzenshtern“ schleppt die kostbare Fracht nach Rostock zur Hanse Sail, wo sie teils ausgetrunken, teils umgeladen werden kann. Thomas wirkt schlagartig sehr entspannt. Im August also auf nach Rostock! Wirklich, es hätte schlimmer kommen können

Auf dem Weg ins große Essenszeit ein kurzer Abstecher ins Organisationszelt und in die für Künstler reservierte Zone. Hier macht sich gerade eine in Blau-Weiß gekleidete Marschkapclle aus Falmouth klar und startet unter markigen Befehlen und lautstarkem Tschingdarassabumm auf die „Meile“. Falmouth - eine traditionsreiche Stadt an der Südküste Cornwalls. Für die großen Segelschilfe vor 100 Jahren oft der erste europäische Hafen nach monatelanger Salpeterfahrt um Kap Hoorn oder Weizenfahrt von Australien oder Argentinien. Auch die „Padua“, heute „Kruzenshtern, kennt sicherlich von früher her den Port... Eine niederländische Trachtengruppe erholt sich gerade von ihrem Auftritt mit kühlenden Getränken, die hier für die Künstler und Aktiven kostenlos ausgegeben werden. Bienvenu ä Brest!
Heute um 15 Uhr unser Auftritt auf der „Grande Scene“, auf der ganz großen Bühne, wo bequem ein ganzes Orchester, wie z. B. am Freitag, Platz hat. Leider fehlten da die Zuhörer, da es in Strömen regnete. Moderne „Wassermusik“, die einige von uns, geschützt unter einem regensicheren Dach, bei einem schönen Pils angehört haben. Heute haben wir wunderschönes Sommerwetter. Theoretisch könnten uns in der Tat Tausende zuhören (von 15.000 war in der Ankündigung die Rede). Der Platz ist da, aber die Besucher sind in Bewegung, die Menschen bleiben stehen oder strömen vorüber, ein einziges Gewoge. Niemand hat irgend etwas fest gebucht, die Entscheidung über Stehen oder Gehen fallt emotional, aus der Situation heraus. Stephan F. hat sein Programm so umgestellt, dass der Chor möglichst viele Ohren erreicht und ein Stoppsignal auslöst. Das geschieht im Bunde mit Uwe W., der heute sein charmantestes Französisch von der Zunge perlen lässt, den Passat Chor vorstellt und in die Shanties der nächsten Stunde inhaltlich einführt. Das alles zeigt Wirkung, so dass wir für Festival-Verhältnisse doch eine ganz attraktive Zuhörer-Kulisse erhalten, jedoch nie die Traumzahl von 15.000.

Der Chor hat für Brest ein spezielles, in vielen Teilen neues Programm eingeübt, in dessen Mittelpunkt „Shanties“ stehen, die aus einem eingängigen, oft auch mitreißenden Wechselgesang zwischen Vorsänger und Chor bestehen. Besonderen Anklang finden dabei immer wieder Shanties wie „South Australia“ (Vorsänger: Ralph St.), „Roll, Alabama, roll“ (Vorsänger: Ralph St.), „Donkey riding“ (Vorsängerquartett: Ralph St„ Dieter Sch., Mike G. und Roloff Sp.) oder „Rolling down to Old Maui“|(Vor Sängerquartett: Stephan F., Mike, Ralph St. und Ulli Th.). Natürlich steht auch ,,Johnny“, der „Seemann als solcher“, immer wieder im Mittelpunkt vieler Lieder. Sein Schicksal, seine Knochenarbeit wie seine Gefühlswelt, wird in endlosen Strophen gewürdigt, ob in „O Johnny, Johnny, John, come along“ oder in „Hanging Johnny“. Eine der eindrucksvollsten Liedversionen auf den ewigen Seemann aber „John            Kanaka‘ (Vorsänger: Ralph St.), de gelegentlich auch Jack heißen kann, so „Sailing, (Vorsänger: Klaus B.). Die Rolle des Kapitäns dagegen tritt eher in den Flintergrund, es sei denn, es handelt um das Schicksal von „Käp'tn Kidd“, den Piraten, vorgetragen von Roloff Sp. auf Plattdütsch, ähnlich wie bretonisch, so Uwe. Sein „Fett“ weg bekommt der „Alte“, der Kapitän, wenn seine Johnnys fordernd singen „Pay me, my money down“ (Vorsänger Dieter: Sch.).

Die volle Virtuosität des vierstimmigen Männerchors aber entfaltet sich - unter der bewegten, schwungvollen Führung von Stephan F. - in Liedern wie „Shenandoah“ oder „Santiano“. Ein gewaltiger Stimmen-Tsunami, der immer wieder über das Menschengewoge hereinbricht, viele Menschen in den Bann zieht und zum Zuhören zwingt... gelegentlich bereichert durch die Flöte des Chorleiters. Für den stimmungsvollen Sound der Akkordeons sind Heinz und Peter, vom befreundeten Bonner Shantychor und für Brest „entliehen“, sowie der Senior unter ihnen, Siggi, zuständig. Und sie spielen ihre Instrumente meisterhaft, wenn man dazu bedenkt, welche physische Leistung sie schon vor Auftiittsbeginn allein durch den Transport ihrer Geräte erbracht haben. Unterstützung erhält das Terzett durch die „Schlagkraft“ und das „Fingerspitzen“- gefühlvolle Spiel von Krystian an seiner Gitarre.

Thomas Th., dem seit Ankunft in Brest die Stimme in den Keller gerutscht ist, hilft aus dem Backstage-Bereich heraus, bei der Aussteuerung, der Aufstellung und gibt ständig Signale zur Optimierung der Präsentation.                                                                                                                                

Was die Zuhörer jedoch zum begeisterten Mitsingen veranlasst, sind die französischen Fischerlieder aus der Bretagne: „Allons a Messine“ und „Gwerz“. Einem Ondit zufolge soll Frederique aus der Organisation sogar den Liedautor zu dem heutigen Auftritt eingeladen haben. Leider aber ist es nicht zu einer direkten Begegnung des Chores mit dem Künstler gekommen. Trotzdem dürften wir bei vielen Besuchern in guter Erinnerung bleiben, da mitgefahrene Gäste des Chores wie Hartmut H„ Wilhelm, Gast aus Niedersachsen, und Andrea H. auch noch Chor-Flyer und Lübecker Marzipan mit Chor-Logo fleißig unter die Zuhörer verteilt haben.

Die Präsentation hat Kraft und Stehvermögen gekostet, ist aber auch mit viel Beifall honoriert worden. Backstage können wir uns kurz bei einem kühlen Getränk erholen. Dann aber geht’s schon weiter zu unserem letzten Auftritt im „Russischen Dorf, worum wir gestern spontan gebeten worden sind. Zwei Rikschas werden für den Transport zweier etwas fußlahmer Chomitglieder „gekapert“. Da der eine aber darauf verzichtet, wird die Rikscha mit den schwersten Musikinstrumenten beladen...

17.30 Uhr dann der definitiv letzte Auftritt. Es wird ein etwas verkürztes Programm geboten, das vom Publikum wiederum mit viel Beifall honoriert wird, zumal wir gelöst und ohne jeden Druck singen, das heißt: richtig gut singen. Wir sind durch. Jetzt heißt es packen, irgendwo Abendbrot essen, Abschied nehmen...Da war doch noch etwas? Richtig, der Besuch beim Brester Bürgermeister! Leider hatten das Stadtoberhaupt und sein Stellvertreter dann doch keine Zeit für uns. Offenbar mussten wichtigere Termine wahrgenommen werden. Deshalb erhält Uwe W. von der Chorführung kurzfristig die Tüte mit dem Doppeladler-Messingleuchter, dem offiziellen“ Marzipan und einer Grußbotschaft vom Lübecker Bürgermeister Bernd Saxe mit dem Auftrag, die Gastgeschenke Frederique zu übergeben, die sich erboten hat, alles ihrem Bürgermeister nach dem Festival-Trubel zu überbringen. Zweitbeste Lösung.

Eine größere Gruppe des Chores bleibt in der bretonischen Gaststätte im „Russischen Dorf" hängen. Hier gibt es auch deliziöse Miesmuscheln und einen guten Wein. Ein fröhlicher Ausgang des Abends bahnt sich an, in dessen Verlauf die Masten der beiden Großsegler im Abendlicht so langsam zu einer „Achtmastbark“ verschmelzen...Seefahrt tut not!

Großer Korso durch den Hafen, wieder begleitet von Musik, Laserstrahlen und einem kleinen Feuerwerk. Es sieht beinahe aus, als hätten fast alle Oldtimer abgelegt, um an diesem nächtlichen Korso teilzunehmen. Keiner kann sich der Faszination dieses maritimen Schauspiels aus Licht, Musik, Schiffen und Meer entziehen... Einmalig!

11.Tag: Mittwoch. 18. Juli 2012: Brest ade

Manche Tage beginnen einfach zu früh. Nur nicht für Heinz J„ der heute Geburtstag hat und im „Morgengrauen“ sein Geburtstagsständchen erhält. Aber eine ganze Reihe von uns befindet sich irgendwie noch im gestrigen Abschiednehmen...Doch um 05.30 Uhr erwartet uns Tatjana, sorgfältig gestylt, in der Messe und serviert das volle Programm, ohne mit der A imper zu zucken: 2 Spiegeleier, 1 Würstchen, natürlich auch Brot, Butter, Marmelade und den legendären Kaffee, mit dem man Tote wiederbelebt. Man merkt es, sie will zum Abschied noch einmal alles geben, überfordert damit aber den einen oder anderen (geringfügig). Ihr, uns, allen fällt der Abschied schwer...

A wir wuchten unsere Taschen, Koffer, die Musikinstrumente an Deck. Der Kapitän erscheint und lässt es sich nicht nehmen, jeden von uns einzeln per Handschlag an der Gangway zu ' verabschieden, auch davon überzeugt, dass wir uns bei nächstbester Gelegenheit Wiedersehen werden, z. B. in Rostock im August, und auch sonst in Verbindung bleiben wollen...

Hinter ihm hat sich inzwischen eine stattliche Anzahl von Seekadetten in Reih’ und Glied aufgebaut. Auf das Kommando von Juri, dem Hünen von Bootsmann, ergreift jeder von ihnen ein oder zwei Gepäckstücke und schleppt sie vom Schiff runter und dann über den Schwimmsteg auf die Pier, dann Richtung Ausgang (in ca. 1 Kilometer). Inzwischen ist auch Jewgenij, unsei „Prinz Eugen und 1. Offizier, erschienen, er hat an Land genächtigt. Er begleitet die von ihm angeordnete Maßnahme, die uns den Abschied sehr erleichtert, aber nicht leichter macht. Wir sind ihm sehr dankbar für diese „Handreichung“. Der Chor hat als Dank an die Besatzung zu einem früheren Zeitpunkt bereits einen größeren Briefumschlag hinterlassen. Kurzer Abschied, dann trennen sich unsere Wege.

Der bestellte Bus ist tatsächlich gekommen. Auch das Tor ist aufgeschlossen, so dass wir das Festivalgelände kurz vor 7 Uhr verlassen können. Zwei Wunder gleich in der Frühe, denkt so mancher dankbar. Adieu 'Brest! Es waren wundervolle Hafentage! Und wir müssen also doch nicht mit Rikschas nach Paris reisen, wie einige Pessimisten unkten, sondern entern den Bus, der auch kein Schulbus ist, und lassen uns ganz entspannt in die Sessel fallen. 630 Kilometer bis zum Flughafen liegen vor uns. Alles wird gut!

Erste Pause gegen 9 Uhr, als wir die Bretagne verlassen und in die Normandie kommen. An Backbord liegt in der Feme, aber gut sichtbar Mont-Saint-Michel, die bekannte Benediktiner­Abtei, die sich steil auf einem Felsen gen Himmel reckt und nur bei Ebbe zu Fuß erreichbar, ansonsten von Wasser umspült ist. Nicht weit davon liegt auch das berühmte Saint-Malo, wo es von 1937 bis 2003 die „Internationale Vereinigung der Kaphoorniers“ gab.

Es ist zwar sonnig, aber vom Meer weht eine kühle Brise herüber.

Zweite Pause gegen 13 Uhr, die eine Stunde dauert und die zu einem wie auch immer gearteten Mittagessen einlädt...

Fahren auf der Nordwest-Route nach Paris. Der Fahrer hat sie für sich als die geeignete gewählt, um vorsorglich Stauproblemen auf dem Ring um Paris auszuweichen. Offenbar hat er nicht gewusst, dass wir eigentlich einen Aufenthalt in Chartre, vor den Toren von Paris, einlegen wollten, um die dortige weltberühmte Kathedrale zu besichtigen und die Gelegenheiten für die Darbietung einiger Lieder zu nutzen. Die Erkenntnis, dass dies mit unserem Kurs nicht möglich ist, dämmert uns zu spät. Schade!

Bevor der Mittagsschlaf Platz greift, zieht Thomas Th. als Veranstaltungsleiter des Chores eine erste Bilanz per Mikrophon. Er spricht über die Seefahrt, die Unterbringung, die Erwartungen des Chores und die Vorgefundenen Realitäten, die Auftritte, die Strapazen die vielfältigen Erlebnisse dieser Chorreise. Keine Lyrik, sondern nüchtern, unverblümt differenziert. Seme positive Bilanz für die Chorgemeinschaft und ihre Ziele und sein Dank an alle, die zum Gelingen dieser Reise beigetragen haben, werden von den Männern mit großer Zustimmung aufgenommen.

Kommen auf dem Autobahn-Ring um Paris wider Erwarten ohne Probleme zügig voran. Uwe gibt ein paar wichtige Infos zum Einchecken und lenkt damit immer wieder unsere Blicke auf Sehenswürdigkeiten, z. B. den Eiffelturm ganz in der Ferne oder das große Fußball­Stadion auf der anderen Seite der Autobahn oder erläutert uns das gigantische Wachsen der Mega-Stadt Paris. Erschreckend der flüchtige Blick in ein riesiges Slumgebiet neben der

Gegen 17 Uhr Einchecken auf dem Airport Charles de Gaulle als Gruppe. Nicht jeder kommt ganz ungeschoren durch die Sicherheitsschleuse. Gerhard M. muss aus seinem Kulturbeutel die eine oder andere Tube mit Duschgel oder Zahnpasta abliefern...Doch auch ein Zugewinn ist zu verzeichnen: Eine durch Zufall in Brest nicht verschenkte Schachtel Lübecker Marzipan kommt zur Verlosung auf den Sitzplatz 16 C. Wilhelm, Freund von Gerhard M. und Gast aus Niedersachsen, hat das Glück. Peter. Akkordeonspieler vom befreundeten Bonner Shantychor verabschiedet sich, er reist mit dem Zug weiter.

19.05 Uhr hebt die Lufthansa-Maschine ab, die kleine Maschine (Eurowings) mit 78 Sitzplätzen ist von unserer Gruppe fast zu Zweidritteln besetzt...

Die reine Flugzeit bis Hamburg beträgt nur 65 Minuten, vermutlich mit Rückenwind. Könnte man eigentlich öfter mal für einen Kaffee in Paris nutzen. Das sonnige Paris verschwindet sehr schnell, eine geschlossene Wolkendecke verhindert jeden Blickkontakt nach unten, Hamburg empfängt uns mit kühlem Regen, mit norddeutschem Sommer eben.

In Hamburg verabschieden sich einige Chormitglieder, die hier wohnen. Für Uwe W. wird Als Ausdruck des Danks „Shenandoah“ gesungen.

Mit dem Bus weiter nach Lübeck/ Travemünde. Sind gegen 22.30 Uhr wohlbehalten und mit einem riesigen Seesack voller Erlebnissen. Eindrücken und Erfahrungen wieder daheim. Der eine oder andere stützt sich noch gelegentlich zur Seite etwas ab, weil er „Seefahrt“ auf der „Festplatte noch nicht gelöscht hat. Und aus dem Strom des Erlebten klingt leise und wehmütig von ganz weit her „O lan di ran di ro“... Unvergesslich!

 

Und 2013? Shanty-Festival in Paimpol/ Bretagne? Verlockung!!!