1980: KOTKA / FINNLAND

SEEMANNSLIEDER FESTIVAL
Bruno Groth

Auf finnisch heißt diese Veranstaltung "Merimieslaulufestivaalit". Sie wurde von der Stadt Kotka für alle Anrainer-staaten der Ostsee ausgeschrieben. Die Einladung für die Bundesrepublik Deutschland ging an das befreundete Lübeck, das im Finnlandverkehr seit eh und je eine führende Rolle gespielt hat. Aus dem Rathaus erging die Auf-forderung an den Passat Chor, Lübeck auf dem Festival am 1. + 2.August zu vertreten.

Wir sagten zu und bemühten uns, in mehreren Briefen die Einzelheiten zu erfahren, was recht schwierig war. Wir hörten, daß neben den für ein solches Treffen üblichen Kriterien auch etwaige Uraufführungen in die Wertung einbezogen würden. Und wir waren in der glücklichen Lage, mit einem Komponisten und Texter von Shanties bekannt zu sein: Heiko Fenn, der uns nun ein Loblied auf die Viermastbark "PASSAT" schrieb.

Soweit die Vorgeschichte. Denn nun begann ein sehr intensives Proben und Erarbeiten der für unseren Auftritt vorgesehenen Stücke. Wir fuhren mit 35 Mitgliedern und da mußte in jeder Stimme auch der letzte Sänger sicher und die neu gebildete Combo aus fünf Instrumentalisten ihrer Aufgabe voll gewachsen sein. Ein besonderer Dank daher unserem Günter Hinz, der mit seinem bewundernswert starken persönlichen Engagement auch den letzten Teilnehmer zu begeistern verstand.

Nebenher lief das Bemühen unserer Reiseleitung, für die Überfahrt nach Finnland mit der "FINNJET" die erforderlichen Plätze an Bord zu bekommen und auch in Finnland selbst für Transport, Unterkunft und Verpflegung zu sorgen. Auch galt es, Präsente von der Stadtverwaltung zu beschaffen, in deren Auftrag wir ja fuhren und daher auch einen Reisekosten- Zuschuß erhielten.

Am Tage vor unserer Abreise gab es eine Hauptprobe auf der großen Bühne des Kursaales, um nicht nur das musikalische Programm, sondern auch alle erforderlich werdenden Nebendinge genau durchzuproben und festzule-gen. Das Ergebnis war erfreulich. Wir waren unserer Sache recht sicher und auch das zum Teil kritische Publikum war mit uns zufrieden. Und so gingen wir denn am 31. Juli abends am Skandinavienkai mit 34 Mann und unserem Gerätebus (Sgfd. Berg) an Bord der "FINNJET", hatten eine schöne Überfahrt bei ruhiger See und waren am nächsten Spätnachmittag in Helsinki, wo uns unser Betreuer, Herr Hytönen, mit Bus erwartete.

Nach kurzer Rundfahrt durch die finnische Hauptstadt fuhren wir rund 100 km und trafen gegen 20.00 Uhr in Kotka ein, wo in einem Jugendheim für uns Quartier gemacht war. Kaum angekommen, erschien der Vorstand des dortigen Männergesangvereins, um uns zu begrüßen und für den nächsten Tag mittags zu einer Fahrt durch den Hafen und hinaus zwischen die Schären einzuladen.

Doch zunächst Abendbrot, Nachtruhe und dann stand der neue Tag vor uns, ein strahlender Tag mit viel Hitze, denn das Wetterhoch stand über Finnland. Die Verpflegung war nicht im Jugendheim, sondern in einer nahe gelegenen Gaststätte, dort also hin und dann stand die erste Überraschung vor uns: Man hatte uns eingeteilt für ein Konzert um 10 Uhr in der Musikmuschel des Sibeliusparks im Zentrum von Kotka. Eine Aufgabe, die wir mit Anstand erledigten und die von den zahlreichen Zuhörern mit Beifall bedacht wurde.

Von dort führte uns Herr Hytönen zum Hafen, wo auf einem größeren Motorboot schon eine Gruppe von Sän-gern aus Kotka auf uns wartete. Das gab nun eine lustige Fahrt ab mit viel Singen und Musizieren bei strahlendem Sonnenschein - vorbei an den ausgedehnten Hafen und Fabrikanlagen, an der Werft mit nur russischen Reparatur-schiffen und wir erfuhren u. a., daß rund 20 Prozent der gesamten finnischen Ausfuhr über den Hafen Kotka erfolgen.

Nach diesem Ausflug galt nun unser Interesse ganz dem bevorstehenden Auftritt in der Lagerhalle 7 und unser Vorkommando fuhr voraus, um die Möglichkeiten für das Hissen unseres Spinnakers zu prüfen. Wir kamen also in die Hal-le 7, die für die Veranstaltung vorbereitet war, und das war in der Tat eine Halle, die 6000 Personen fassen konnte, wie man uns nach Lübeck berichtet hatte, aber die vorgesehene Bestuhlung reichte nur für etwa 2000 Personen. Drei Seiten der Halle gaben eine Kulisse aus 1 m hohen Papierrollen, vier Schichten übereinander und davor war in die Mitte des Raumes hinein eine dreiteilige Riesenbühne errichtet, die auch für den Auftritt großer Gruppen geeignet war.

Eine gute Mikrophon- und Lautsprecheranlage war installiert und das Fernsehen war mit seinen umfangreichen Aufnahmegeräten schon zur Stelle. Wir machten unsere sehr kurze Probe, denn die nächste Gruppe stand schon bereit, und dann war Pause bis zum Beginn der Veranstaltung um 15.00 Uhr.

Inzwischen hatten wir auch Programme erhalten, natürlich auf finnisch und wir ersahen aus ihnen nur die Reihenfolge: wir an letzter Stelle mit folgender Eintragung:

11) Passat-kuoro Lyypekistä "Merellinen tervehdys Saksan Liittotasavallasta"

Wir waren also in Bereitschaft, konnten am Auf- und Abtreten die Nummern im Programm verfolgen, hörten natürlich die Vorträge und jeweils auch den Beifall - und warteten auf unseren Auftritt. Uns fiel auf, daß Shanties, wie wir sie vorbereitet hatten, nur von einer einzigen Gruppe, und zwar Cap Horniers, also Kapitäne über 70 Jahre, vorgetragen wurden, während die anderen Vorträge zwar alle um die Begriffe Meer und See kreisten, also auch Opern-Literatur erfaßten, aber keineswegs sich auf die Sparte der englischen Shanties beschränkten.

Wir hatten während unserer Wartezeit auch Gelegenheit uns umzusehen und vor der großen Halle die Reihe der flatternden Fahnen zu bewundern, neben den flankierenden finnischen unsere deutsche, die dänische, schwedi-sche, norwegische, sowjetrussische und sowjet-estnische, also fast alle Ostseeanrainer, wie es die Einladung versprach, nur außer uns war lediglich ein norwegischer Chor gekommen, führte am Vortage ein Konzert auf, und eine Gruppe von acht Solisten aus Tallinn kam abends im unterhaltenden Teil zu Gehör, alle anderen fehlten überhaupt.

Inzwischen ging die Veranstaltung ihrem Ende zu, die beiden Chorgruppen vor uns hatten offensichtlich stärkeren Beifall als ihre Vorgänger und dann waren wir als letzte Gruppe dran. Unsere Aufstellung auf der sehr hohen Bühne klappte (Oskar war schon vorher in Bereitstellung gegangen), der Beifall zur Begrüßung wie bei den anderen, und dann unsere Vorträge, sauber, überzeugend, mit einer nachdrücklichen Steigerung zum letzten Titel, der Uraufführung von "Lady Passat" mit strahlenden Gesichtern. Und dann gab es Beifall, wie wir ihn an dem Nachmittag wohl noch nicht gehört hatten und der auch noch anhielt, als wir längst von unserem hohen Podest wieder heruntergeklettert waren, so daß wir uns fragten: Sollen wir wiederholen? - Aber nein, das verbot sich.

Und weiter gings an diesem ereignisreichen Tag. Wir gingen hinüber in ein in der Nähe gelegenes Clubhaus zum warmen Abendessen, wo auch unsere finnischen Sangesfreunde zu Hause waren. Hier gab es wieder Begrüßungen, Trinksprüche und Austausch von Geschenken und die Einladung zum Seemannsball um 21.00 Uhr, auch in der Halle 7 am Hafen.

Doch bis dahin war noch reichlich Zeit und wir waren an diesem heißen Tag alle reichlich geschafft. Also zu Fuß gut zwanzig Minuten zurück ins Heim um auszuruhen. Nun sollte bei diesem Seemannsball auch die Preisverteilung vorgenommen werden, wir hin, wieder eine kleine halbe Stunde zu Fuß und jeder war doch so abgespannt.

Die Fußkranken meldeten sich ab und andere suchten nach einer Entschuldigung, kurz, leider keine Meinung. Wir wurden ja aber erwartet. Da rief unser 1. Sprecher Hans Hartmann den Chor zusammen, erklärte die Notwendig-keit und sagte, daß er die erforderlichen Taxen bestellt habe - und nun blieb keiner zurück!

Vor der Halle begrüßte uns der finnische Chorvorstand. Drinnen war auf dem großen Boden der Halle eine kleine Ecke vom Gestühl geräumt, aber Tische gab's nicht, wohl aber ein Getränketresen und natürlich Tanzmusik. Doch es erwartete uns eine Enttäuschung:

Denn nun hörten wir von unserem Herrn Hytönen, daß der Passat Chor als ausländischer Chor nicht in die Bewertung einbezogen sei und wir demnach für die Endausscheidung am Sonntag nicht vorgesehen seien. Wir machten zunächst dumme Gesichter, stellten dann ja aber fest, daß auch die Norweger und die Tallinn-Gruppe nicht dabei waren, sondern die Finnen offenbar unter sich bleiben wollten. Und da unter den geschilderten Umständen die Tanzerei nicht einmal unsere Jüngeren lockte, beschlossen wir, uns ein Lokal zu suchen und dort den Tag ausklingen zu lassen.

Doch das blieb eine Absicht, denn in das Clubhaus wurden wir nicht eingelassen und ein anderes Lokal fanden wir auf unserem Nachhauseweg gleich nach 22.00 Uhr nicht mehr geöffnet. So landeten wir denn wieder zu Fuß und um einige Erfahrungen reicher erneut in unserem Heim.

Der nächste Tag brachte also keinen offiziellen Termin. Eine Anzahl unserer Sänger suchte das benachbarte Schwimmbad auf, bei dem heißen Wetter besonders willkommen, andere gingen noch in die Stadt und der Gerätewagen mit seiner Gruppe fuhr in die Halle 7, um den Spinnaker zu holen und selbstverständlich waren eine Anzahl von uns noch einmal in der Halle, um die Vorbereitungen der Chöre zu beobachten, die nachmittags um die Preise wetteifern wollten.

Auch galt es Abschied zu nehmen von unseren finnischen Sangesfreunden und vor allem von Herrn Hytönen, der uns seinen Besuch in Lübeck für das kommende Jahr zugesagt hat. Die an den Gesangverein ausgesprochene Einladung blieb noch ohne Termin.

Wir bestiegen um 14.00 Uhr wieder unseren Bus für die Rückfahrt nach Helsinki und konnten dort nach kurzem Aufenthalt bei der leicht verspäteten "FINNJET" wieder an Bord gehen.

Auch unsere Rückfahrt erfolgte bei ruhiger See und herrlichem Wetter und wir hatten genau wie auf der Hinfahrt Gelegenheit, vor zahlreichem Publikum unser Kotka Programm vorzutragen und mit "Lady Passat" wirkungsvoll zu beschließen.

Eine schöne Sängerfahrt ging zu Ende in dem Bewußtsein, herrliche Tage der Gemeinschaft erlebt zu haben.