1985 ins Land der Fjorde und Trolle
Fahrtbericht einer Nordlandreise von W.R. Ohlhoff |
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NORWEGEN
(amtl. norweg. Kongeriket Norge), nördlichstes europ. Königreich mit
324 219 qkm, davon 307 988 qkm Landareal und 4,1 Mill. Einwohnern.
Hauptstadt Oslo. Die
Schäreninseln, welche die Westküste gegen das europäische Nordmeer
säumen, sind daher der bevorzugte Siedlungsraum, der die Norweger als
Fischer und Seeleute seit je in hohem Maße auf das Leben vom und mit
dem Meer orientiert, das, temperiert durch die Ausläufer des
Golfstromes, niemals zufriert. Zahllose, bis über 180 km in das Land
eingreifende Fjorde schließen dieses von See auf und bieten viele
Hafenmöglichkeiten. Der Seehandel hat schon im Mittelalter (teils
hanseatisch) ein wohlstrukturiertes Städtewesen ermöglicht. Die
Teilnahme am Weltverkehr und die Weltoffenheit haben Norwegen zu einem
wirtschaftlich und kulturell sehr hoch entwickelten Land gemacht. So
steht es kurz und prägnant in "Das neue FischerLexikon". Aber die
landschaftlichen und kulturellen Reize des Landes, seine überaus
gastfreundlichen Einwohner, alles dies lassen die knappen sachlichen
Zellen nur annähernd ahnen. Wenn Sie diesen Fahrtbericht gelesen haben,
wird sicherlich auch Ihr Interesse an dem herrlichen Reiseland geweckt
sein. Aber nun alles der "Reise" nach, wie es so schön abgewandelt
heißt. * Lange
schon "gärte" die Idee, einmal eine längere Chorreise in den "hohen"
Norden zu unternehmen und nach der kurzen Stippvisite im Juli/August
1980 nach Kotka/Finnland war nun Norwegen im Programm "angesagt". Durch
die jahrhundertealte traditionelle Verbundenheit Lübecks mit Bergen
durch den Bund der Hanse (Brücke) und den erfreulich regen heutigen
kulturellen Kontakt zur "heimlichen" Hauptstadt Norwegens lag es auf
der Hand, in das "Land der Wikinger" zu fahren. Mit
dem RANMännerchor in Bergen wurde dann ein Partnerchor gefunden, der
zusammen mit dem GoetheInstitut in Bergen ein anspruchsvolles und
interessantes Programm für den "Passat Chor" auf die Beine gestellt
hatte. Sonnabend, 25.5.1985 Morgens
um 7.00 Uhr Start des 4SterneLuxusGefährts der LVG mit „Hauschauffeur"
Georg (Schorsch) Stahl am Volant, 41 erlebnishungrigen "Seeleuten" und
einem Biervorrat an Bord (wegen der unverschämt hohen Bierpreise in
Norwegen), der allen zolltechnischen Vorschriften, auch bei größtem
Wohlwollen, nicht im geringsten Maße entsprach. (Auf der Rückreise
gab’s dann keine Packprobleme, da war der Hopfensaft bis auf einen
kläglichen Rest geschrumpft). Flotte Fahrt
über die BAB nach Flensburg mit Grenzübertritt bei Ellund ins
Königreich Dänemark (wenn der Zoll wüßte ... ). Geruhsame Fahrt durch
die hügelige Endmoränenlandschaft Jütlands mit Mittagspause im Grünen
und Kaffetrinken in einem der urigen alten dänischen Landgasthöfe, in
denen die Zeit stehengeblieben scheint. Vejle und Viborg wurden
passiert und gegen 17.00 Uhr wurde mit Lonstrup ein kleiner malerischer
Badeort an der Nordsee inmitten einer grandiosen Dünenlandschaft
erreicht. Jetzt hieß es Quartiervergabe
in dem kleinen sehr sauberen Hotel "Marinella". Mitten in den Trubel
dann ein Wermutstropfen aus "heiterem Himmel": Sangesbruder Waldemar
Filz brach bewußtlos zusammen und mußte mit dem Rettungswagen in das
nahegelegene Krankenhaus in Hjorring gebracht werden. Nach
diesem Schock, Abendessen mit bedruckten Gesichtern im Restaurant des
Hotels bei typisch dänischem Luxusbuffet mit allem "Drum und Dran".
Anschließender Verdauungsspaziergang über die Steilküste mit herrlichem
Weitblick über Dünen, Strand und Meer im Schein der untergehenden
Sonne. Relativ frühe Nachtruhe. Sonntag, 26.5.1985 In
den frühen Morgenstunden traf Waldemars Frau mit Schwiegersohn per Auto
ein, um sich um den Erkrankten zu kümmern. So konnte der Chor halbwegs
beruhigt die Weiterfahrt nach Norwegen per Schiff von Hirtshals
antreten. An Bord des norwegischen Schiffes M/F "Bolero" erwarteten uns
geräumige Kabinen und nach einem erfolgreichen einstündigen Konzert vor
über 500 begeisterten Passagieren spendierte die Schiffsleitung ein
opulentes kaltwarmes Spezialitäten Buffet für den Chor. Einstimmige
Zustimmung. Um 21.00 Uhr kurzer 2½
stündiger Zwischenstop mit Landgang in Stavanger. Eine herrliche
Einfahrt in den Fjord von der Kapitänsbrücke entzückte die
LübeckTravemünder "Landratten", und der Landgang bei hochsommerlichen
Temperaturen und beginnender Mitternachtssonne im historischen alten
Stavanger ließ Kreuzfahrtromantik aufkommen. Gegen 24.00 Uhr hieß es
wieder "Leinen los". Montag, 27.5.1985 Morgens
um 5.00 Uhr, bei langsam sich lichtenden Nebelschwaden, filmreife
Einfahrt in den vor Bergen liegenden KrossFjord. Festmachen in Bergen
pünktlich um 7.00 Uhr nach leckerem skandinavischen Frühstücksbuffet.
Abholung und Begrüßung des Chores von Repräsentanten des RANChores aus
Bergen mit Fototermin in Kluft vor dem Schiff. Anschließend 4stündige
Stadtrundfahrt mit Stabkirche in Fantoft, Hanseatischem Museum ect. in
Begleitung unserer norwegischen Freunde. Um
12.00 Uhr Quartierbelegung im "StrandHotel" direkt am Bergener
Fischmarkt und im soeben eröffneten KomfortHotel "Victoria" (einem
ehemaligen Sanatorium für Alkoholiker). Nachmittags
dann Ausflug nach Troldhaugen, dem idyllisch an einem romantischen See
gelegenen Wohnsitz Edward Griegs, dem Nationalkomponisten Norwegens.
Hier in dieser wunderschönen Landschaft komponierte Grieg viele seiner
bekanntesten Werke und fand zusammen mit seiner Frau Nina auf dem
parkähnlichen Anwesen seine letzte Ruhe. Speziell für den "Passat Chor"
war ein Klaviermusikprogramm mit Werken Griegs auf der Diele des Hauses
des Maestros arrangiert worden, vorgetragen von einem der bekanntesten
norwegischen Pianisten. Eingeweihte wissen zu berichten, daß ein
Chormitglied aus dem 2. Tenor bei einem gefühlvoll vorgetragenem
"Nocturne" sanft entschlummerte und den Vortrag durch lautes Schnarchen
"entweihte". Nach einem verspätet
eingenommenen Mittagessen in einem Bergener Restaurant (ohne
Alkoholausschank) erste Unmutsbezeugungen von Choristen ob des
unverhältnismäßig hohen Preises im Vergleich zum Gebotenen. Abends dann
gemeinsame Chorprobe mit den RANSängern im Clubheim des Chores. Erstes
"Beschnuppern" der Sänger, wie denn die anderen wohl singen und mit
großer Verbrüderung beim anschließenden Imbiß (von den Norwegern
gestiftet) und mit Gratisbier aus dem deutschen "Bierfundus". Zum
anschließenden "Ball Paradox" erfreute die Combo des Passat Chores die
81 tanzwütigen Sangesfreunde und man höre und staune eine Dame, die
dann umständehalber ständig ausgebucht war. Dienstag, 28.5.1985 Nach dem Frühstück Möglichkeit zum Besuch des berühmten Bergener Fischmarktes mit anschließender Gelegenheit zum Shopping. Nachmittags
unvergeßlicher Segeltörn zusammen mit dem RANChor und vielen Gästen auf
der Dreimastbark "Statsrad Lehmkuhl". Hier konnten die gestandenen
"Seeleute" des "Passat Chores" ihre Seemannschaft beweisen Mithilfe
beim Setzen und Bergen der Segel bei zünftigem Segelwetter mit
stürmischen Winden. Nach vierstündiger Kreuzfahrt durch die
Fjordlandschaft vor Bergen, gemeinsames Abendessen mit den norwegischen
Freunden in Luke 11. Auch hier umjubelter Auftritt der Hauscombo mit
PeterHans und Werner am Akkordeon, Ralf an der Gitarre und Heiko am Baß
(Ersatzgitarrist. Hartmut). Mittwoch, den 29.5.1985 Nach
dem reichhaltigen Frühstück Verproviantierung auf dem Fischmarkt mit
norwegischem Käse, Shrimps und frischen Räucherlachsbrötchen, für die
um 10 Uhr startende 4stündige Fahrt mit dem Ausflugsdampfer "White
Lady" in den romantischen Osterfjord bei strahlendem "Kaiserwetter".
(Der„Schnack", daß es manch mal in Bergen nicht regnet, stimmte also.)
Und "wenn Engel reisen, dann strahlt Petrus" bewahrheitete sich auf der
gesamten Norwegenfahrt, wie auch auf unseren letzten vier Sommerreisen. Abends
nach kurzem Besichtigungsrundgang im Museumsdorf "Gammle Bergen",
beifallumrauschender Auftritt gemeinsam mit dem RANChor im Festsaal des
Dorfes. Hier konnte sich übrigens ErnstGünter als Nothelfer "par
excellence" bewähren: Der norwegische Chorleiter geriet bei dem
gemeinsam gesungenen Schlußlied, der "Landerkennung" von Edward Grieg,
vor Rührung und Ergriffenheit so aus der Fassung, daß er das Dirigieren
vergaß und aus dem Takt geriet. Er hätte das gemeinsame Projekt
garantiert "geschmissen", hätte nicht ErnstGünters kundige Hand die
Initiative ergriffen und das aus dem Ruder laufende "Chorboot" sicher
in den Hafen gebracht. Anschließend
herrliches Abendessen auf Einladung des norwegischen Chores in
historischem Rahmen. Herzliches Abschiednehmen beider Chöre. Donnerstag, 30.5.1985 Ein
weiterer Höhepunkt der Reise folgte mit der dreizehnstündigen Busfahrt
durch die grandiose Berg und Fjordwelt Mittelnorwegens, mit seinen
kilometerlangen Tunneldurchfahrten von Bergen nach Oslo. Strahlend
blauer Sommerhimmel, silbrig in der Sonne glänzende Gletscher und
Schneefelder, rauschende Gebirgsbäche und Wasserfälle, dazu die sich in
den türkisfarbenen Wassern der Fjorde spiegelnde Apfelblüte, beinahe
kitschig schön. Eindrücke, die auf der einstündigen Fährfahrt über den
Hardangerfjord nur noch verstärkt wurden.
Auch Busfahrer "Schorsch" verdiente sich das Prädikat "besonders
wertvoll" mit einer Meisterschaft ohnegleichen: den Bus über
halsbrecherische Kurven unter Wasserfällen
hindurch sicher ans Ziel nach Oslo zu chauffieren. Und das alles mit
einer bewundernswerten Ruhe und Gelassenheit. Abends
um 21.00 Uhr Quartiernahme im sauberen "Anker" Sommerhotel. Der späte
Abend hinderte aber nicht daran, noch einen nächtlichen Bummel durch
das 20 Grad warme Oslo zu wagen. Freitag, 31.5.1985 Morgens
um 9.00 Uhr Abholung des Chores nach dem Frühstück durch Jon Stenklev,
Leiter des Norwegischen Filminstitutes, langjähriger Freund Lübecks
durch die Nordischen Filmtage und das Amt für Kultur der Stadt Lübeck.
Er hatte ein hochkarätiges, komprimiertes Oslo Programm
zusammengestellt: Pflichtbesuch im WigelandPark, der mit seiner Unzahl
von nordischen Plastiken und seiner an das Dritte Reich erinnernden
Kunst, einen überwältigenden, aber zwiespältigen Eindruck hinterließ;
während die Museumshalbinsel mit ihrer "WikingerBootHalle" und dem
"FrahmMuseum" den ungeteilten Beifall des Chores fand. Nach
einem "Open Air" Auftritt des "Passat Chores" vor den Patienten des
Osloer ZentralKrankenhauses standen dann die drei letzten Stunden des
Aufenthaltes in Norwegens Hauptstadt zur freien Verfügung. Einige der
Sänger benutzten die verbleibende Zeit, um sich in den Trubel des eben
begonnenen norwegischen Karnevals zu stürzen: musizierende, tanzende
und leichtgeschürzte Sambagruppen, das alles bei über 30 Grad im
Schatten. Wer von uns "sturen" Norddeutschen hätte das im hohen Norden
erwartet. Andere machten einen Besuch im
Edvard MunchMuseum, während wieder eine andere Gruppe die Zeit
faulenzend am Hafen beim Betrachten des regen Fährverkehrs zu den Oslo
vorgelagerten Inseln verfolgte. Voll mit
Erlebnissen aller Art ging es dann auf die Fahrt zu dem am Oslofjord
gelegenen Fährhafen Larvik, von wo uns die Hochseefähre "Peter Wessel"
zur nächtlichen Überfahrt in das dänische Frederikshavn erwartete. Der
"Zapfenstreich" für diese Nacht wurde aufgehoben, aber wie aus
eingeweihten Kreisen zu vernehmen war, waren die "Helden" müde. Nur
sehr vereinzelt sollen Chormitglieder mit den "Schönen der Nacht" in
der Schiffsbar zu sehen gewesen sein. Sonnabend, 1.6.1985 Nach
einem ausgiebigen Abschiedsfrühstück an Bord, ging es dann zügig über
Dänemarks Straßen zum heimatlichen Lübeck, wo die "Weltenbummler" schon
sehnsüchtig von ihren Frauen, Bräuten, Freundinnen und Freunden etc.
erwartet wurden. Mitten in diese herzliche
Wiedersehensfreude fiel ein Wermutstropfen und lähmende Stille trat
ein, als bekannt wurde, was viele schon befürchtet hatten. Am Abend
vorher, Freitag, dem 31.5.1985, war unser lieber Sangesfreund Waldemar
Filz, fern der Heimat im dänische Hjorring, entschlafen. |
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